Mondlaeufer
der Göttin auf?«
»Morgen früh, sobald ich Euren Eltern meine Aufwartung gemacht habe.«
»Wenn ich mich nicht täusche, braucht Ihr eine Eskorte.« Er wies auf die schweren Satteltaschen von Meaths Pferd. Als der Lichtläufer sich versteifte, setzte Maarken rasch hinzu: »Keine Sorge, ich frage nicht weiter. Aber selbst als es Euch letzte Nacht so schlecht ging, habt Ihr Euch nicht davon getrennt, als das Gepäck vom Schiff getragen wurde. Es ist also wichtig, und Ihr braucht eine Eskorte, um es – und Euch – zu beschützen.«
Meath lächelte gequält: »Ich wusste nicht, dass ich mich so auffällig verhalten habe. Ich will nur ein paar Soldaten, Maarken. Zu viele würden Verdacht erregen.«
Pol sah seinen Freund an: »Dann muss es sehr wichtig sein. Warum habt Ihr mir nicht erzählt, dass Ihr gleich zur Schule der Göttin reitet? Ihr habt es Maarken über das Sonnenlicht erzählt, oder? Wie soll ich denn jemals ein Prinz werden und die richtigen Entscheidungen treffen, wenn mir nie einer sagt, was los ist?« Und mit einem Schulterzucken fügte er hinzu: »Ihr braucht es gar nicht zu sagen. Ich werde lernen, was ich brauche, wenn ich es wirklich wissen muss.«
»Genieß deine Unwissenheit, Pol«, sagte Maarken. »Wenn du erst älter bist, wirst du mitunter mehr wissen, als dir lieb ist. Und dann ist es meistens noch das Falsche.«
Die Straße schlängelte sich durch Weideland, wo hohes Frühlingsgras auf die Pferde wartete. Vor ihnen ragten die eindrucksvollen Türme von Burg Radzyn auf, wo Maarkens Vorfahren seit Jahrhunderten lebten. Links unter ihnen nagte die See unablässig an den Klippen. Rechts konnte Pol weit jenseits der Weiden den Beginn des Weiten Sandes erkennen, der im Sonnenlicht golden schimmerte.
Wieder verstand Maarken seinen Blick: »Immer ist er dort drüben, nicht wahr?«, murmelte er. »Und wartet. Wir arbeiten so hart für dieses schmale grüne Band entlang der Küste, aber wenn wir es nur kurze Zeit vergessen, wird der Sand in einem einzigen Winter alles wieder verschütten.« In ganz anderem Tonfall fragte er dann: »Wie geht es eigentlich dem alten Prinzen zur Zeit?«
»Er ist gesund und rüstig für sein Alter. Und er hofft, dass du dich noch an ihn erinnerst. Als ob man ihn je vergessen könnte!«
»Er hinterlässt schon einen bleibenden Eindruck – besonders auf der Kehrseite, wenn er einen bei etwas Verbotenem erwischt.«
Pol zuckte zusammen: »Woher weißt du?«
Maarken grinste: »Ach, glaub mir, das passiert jedem mal. Aber es beruhigt mich ungemein, dass er diese Methode offenbar bei Prinzen genauso anwendet wie bei gewöhnlichen Herrschaften. Wie lange hat es gedauert, bis du wieder sitzen konntest?«
»Einen ganzen Tag«, gab Pol etwas säuerlich zu.
»Dann muss er dich mögen. Bei mir hat es zwei Tage gedauert.« Maarken stellte sich in den Steigbügeln auf und spähte zur massigen Burg Radzyn hinüber. Dann lächelte er zufrieden: »Da sind Mutter und Vater mit den neuen Fohlen. Sie wollten mitkommen und dich abholen, aber der Stallmeister bestand darauf, dass sie die Pferde heute begutachten. Er ist ein echter Tyrann. Kommt, lasst uns zusehen.«
Sie galoppierten los, übersprangen mehrere Zäune und zügelten ihre Pferde erst vor Prinzessin Tobin, die in ihren ledernen Reithosen sehr anziehend aussah. Mit einem Freudenschrei sprang sie vom Pferd. Pol stieg ab und ließ sich umarmen und küssen. Dann hielt ihn seine Tante auf Armeslänge von sich ab und betrachtete ihn erstaunt mit ihren dunklen Augen.
»Chay!«, rief sie ihrem Mann zu. »Komm her und schau dir an, was Lleyn uns anstelle des Kükens geschickt hat, das wir ihm vor drei Jahren übergeben haben.«
Pol merkte, dass er zu seiner Tante hinabsehen musste. Er hatte gar nicht gemerkt, wie sehr er gewachsen war. Ihre Schläfen waren grauer geworden, und weiße Strähnen durchzogen ihre schwarzen Zöpfe, doch ansonsten war sie so, wie er sie in Erinnerung hatte: schön wie eine Sternennacht. Pol sah auf, als Chay zu ihnen herüberkam, und war wieder erstaunt, dass er nicht zu sehr aufschauen musste, um in diese durchdringenden grauen Augen zu sehen.
»Also, Tobin«, mahnte Chay und umarmte Pol kurz, »es ist bestimmt Pol. Oder Rohan hat sich gewaltig verjüngt. Meine eigenen grauen Haare sagen mir, dass die Zeit nicht rückwärts läuft, also muss es Pol sein. Du scheinst die Überfahrt ganz gut überstanden zu haben«, fügte er hinzu und fuhr dem Jungen durchs Haar.
»Inzwischen schon. Aber du
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