Mondlaeufer
Was werdet Ihr Chiana geben, wenn sie mich zum Gatten nimmt?«
»Ich wusste nicht, dass Ihr diese Verbindung überhaupt in Betracht zieht, Vetter.«
Miyon ließ sich zu dem Lächeln eines Menschen herab, der glaubt, er hätte den Schlüssel zu den verschlossenen Toren seines Gegenübers in der Hand. »Ich könnte mich vielleicht überreden lassen, sie in Erwägung zu ziehen, wenn Gewinn in Aussicht steht.«
»Ach je«, murmelte Rohan. »Diese Jugend von heute. Man sollte doch meinen, die bezaubernde Dame selbst wäre Euer wichtigster Grund.«
»Eine Liebesheirat kann sich ein Prinz mit einem sicheren Hafen leisten«, erklärte Miyon ganz unverblümt. »Welchen Handel können wir abschließen, Vetter?«
Rohan sah ihm direkt in die Augen. Sie waren schwarz wie die Obsidiansplitter, die bei Skybowl zu finden waren. »Was habt Ihr Euch denn vorgestellt?«
»Meine Unterstützung für Eure Sache im Austausch gegen Ankerrechte in Tiglath.«
»Mit Chiana als – wie hat es Euer Mann ausgedrückt? Ach ja: feine, seidene Verpackung.«
»Ich würde natürlich keine vom gemeinen Volk nehmen. Meine Bereitschaft, sie zu heiraten, würde die anderen weitgehend von ihren Rechten überzeugen. Im Gegensatz zu denen von Masul.«
»So viel zur Liebe. Ist das alles, was Ihr wünscht?«
»Freier Zugang zum Hafen von Tiglath ist als Teil ihrer Mitgift wohl nicht übertrieben.«
»Als Teil also«, wiederholte Rohan leise. »Was noch?«
»Zehn Quadratlängen Nordland, als Reiseweg für meine Händler.«
»Und?«
»Zweihundert Goldstücke, wie ihre Schwestern sie bei der Hochzeit von Euch erhalten haben.«
»Und?«, fragte Rohan. Seine Stimme klang immer noch geduldig.
»Ihr zieht Eure Armeen restlos von meinen Grenzen ab!«
Rohan warf einen kurzen Blick auf die Wasseruhr in der Ecke und lächelte. »Hat ein einfaches, kleines Manöver volle fünfzig Längen vor Eurer Grenze Euch etwa beunruhigt? Euch und Eure Merida mit ihren Waffen aus bestem Cunaxa-Stahl?«
»Ich kam, um Euch ein Angebot …«
»Ihr kamt, um Euch bestechen zu lassen.« Rohan verlor sein Lächeln nicht, doch seine Augen und seine Stimme waren eisig. »Ich kenne Euch, Miyon. Ihr habt drei Ziele in Eurem Leben: einen Hafen, ein genügend großes Stück Land, um Euch die Merida vom Hals zu schaffen, und die Anerkennung, dass Ihr zu Recht unter den Prinzen sitzt. Eure ersten beiden Wünsche hängen einzig und allein von mir ab. Nummer drei ist Euer Problem. Ich werde Euch nicht dabei behilflich sein, dass Ihr Euch selbst beweist, dass Ihr ein Mann seid.«
Miyon sprang tödlich beleidigt auf. »Wie könnt Ihr es wagen!«
»Hört mir gut zu, Prinzchen. Ihr wolltet Chiana, weil Ihr glaubt, sie würde Euch diese drei Dinge verschaffen. Verladerechte in Tiglath, ein Stück von meinem Land und Beifall von anderen Prinzen, weil Ihr mich so schlau schachmatt gesetzt habt. Ist das richtig zusammengefasst?«
»Es ist das beste Angebot, das Ihr bekommen werdet!«
»Das finde ich nicht. Der Tag, an dem Ihr Chiana heiratet, wird der Tag sein, an dem ich Eure Grenzen überschreite. Alle Grenzen. Und zwar mit mehr Truppen, als Ihr in zwanzig Jahren aufbringen könntet. Ein derart gieriger, kleiner Prinz an meiner Nordflanke ist gerade genug; Ihr und Chiana zusammen würdet mir ewig Ärger machen. Ich kenne auch sie, Miyon. Ich habe Euch bisher erlaubt zu überleben …«
»Mir erlaubt!«, brüllte Miyon.
»Jene Ratgeber, die Euch in Eurer Jugend angeleint haben, haben Euch offensichtlich keine Manieren beigebracht. Oder vielleicht habt Ihr auch zu viel Zeit mit den Merida verbracht. Wisst Ihr eigentlich, was die ursprünglich waren? Eine Bruderschaft trainierter Mörder, die rasiermesserscharfe Glasklingen benutzten. Es heißt, sie hätten beinahe schmerzlos getötet.« Rohan lehnte sich nach vorn, die Handflächen flach auf den Schreibtisch gelegt. »Möglicherweise werdet Ihr eines Nachts aufwachen und versuchen, um ein Glasmesser in Eurer Kehle herum zu atmen, Vetter.«
»Sie haben jedes Recht auf die Wüste! All dieses Land gehörte ihnen, ehe Euer Großvater …«
»Sie haben überhaupt kein Recht darauf, und deshalb haben die meisten anderen Prinzen meinen Großvater unterstützt. Miyon, Ihr schert Euch doch keinen Deut um ihre Rechte, außer wenn sie Euch einen Vorwand für Eure eigenen Ziele liefern. Und ich sage Euch noch etwas, Prinzchen. Ich weiß, dass Kiele Euch einiges angeboten hat, aber Ihr traut ihr nicht. Und Ihr glaubt auch nicht so recht an
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