Mondlaeufer
Rohan winkte Tallain, der frische Kelche und Wein brachte. Sie tranken in bester Übereinkunft auf die jungen Leute – was sie heute so wenig getan hatten, dass es auf alle drei Gesichter ein ironisches Lächeln zauberte.
Chale sagte: »Sie heiratet einen Mann, der nicht nur sie glücklich machen, sondern auch nach meinem Tod einen guten Prinzen für Ossetia abgeben wird.« Nach einer Pause fuhr er achselzuckend fort. »Ihr habt recht, Rohan. Ich hatte mit Eurem Vater nicht viel gemeinsam, und Ihr und ich, wir sehen die Dinge auch verschieden. Ich stimme ungern in irgendetwas mit Miyon überein, aber es beunruhigt auch mich, dass Euer Sohn Lichtläufer und Prinz ist. Ich mag, was ich von ihm gesehen habe. Versteht mich nicht falsch. Aber er ist noch lange nicht erwachsen, und Macht hat schon viele gute Männer verdorben.«
»Ich verstehe Eure Bedenken, Vetter. Ich teile sie sogar. Aber ich habe auch Vertrauen in Pols Charakter und in die Erziehung, die er bei Lleyn, Chadric und Audrite erhält.«
»Und wenn er an die Schule der Göttin geht und herausfindet, was er mit Sonnenlicht und Feuer alles machen kann? Was dann?« Chale räusperte sich und zuckte wieder mit den Schultern. »Aber das ist lange hin, und ich werde nicht mehr hier sein und mir darüber Gedanken machen müssen. Tilal ist an Eurem Hof aufgewachsen. Er wird diese Dinge viel besser verstehen als ich es kann. Auf jeden Fall bin ich in der Sache mit dem ›Thronprinzen‹ auf Eurer Seite, und das hat zwei Gründe.«
Rohan verbarg seine Freude. »Ich danke Euch für Eure Unterstützung, Herr.«
»Ihr solltet dankbar sein, dass Roelstra vor Euch kam«, betonte Chale streng. »Nur ein Dummkopf würde sein Ebenbild Euch vorziehen. Und nach dem, was ich von dem Jungen gesehen habe, wird mir beim Gedanken an Roelstras Sohn in der Felsenburg ganz schlecht. Das ist mein erster Grund. Der zweite ist Gemma. Sie und Tilal müssen mit ihm fertig werden, wenn er ausgerufen wird, und sie hat deutlich gesagt, dass sie unabhängig von den Gefühlen ihres Erwählten Masul nach allem, was Roelstra ihrem Bruder angetan hat, immer als Feind ansehen wird.« Der alte Prinz schnaubte wieder. »Den Stolz des Jungen auszunutzen, um ihn in jene schwere Schlacht zu schicken! Ihr wisst, ich habe Roelstra oft unterstützt – das taten wir schließlich alle –, aber das hat mir die Augen geöffnet.«
Rohan sagte unwillkürlich: »Aber es war doch die Schlacht gegen mich, in der Jastri starb.«
»Haltet Ihr mich für so töricht? Wenn er auch mein Neffe war und der einzige Sohn meiner toten Schwester, so weiß ich doch, wer ihn dem Tod in den Rachen geschickt hat. Ich mag Euch auch nicht viel lieber, weil Ihr ja die Truppen angeführt habt, die ihn umbrachten, aber ich weiß doch, wer in Wahrheit für seinen Tod verantwortlich war.«
Rohan nickte langsam. »Vergebt mir.«
»Politik ist eine verworrene Sache«, überlegte Chale. »Seht Euch Saumer und Volog an. Jahrelang saßen sie einander an der Kehle, und jetzt denken sie nur noch an ihren gemeinsamen Enkelsohn und Erben, als hätten sie einander nie auch nur ein Schaf gestohlen. Und wenn Ihr wirklich merkwürdige Dinge nehmen wollt, dann wäre da Roelstras Tochter, die für Euch die Prinzenmark regiert.« Er schüttelte seufzend den Kopf. »Wisst Ihr, die meisten von uns sind eigentlich recht vernünftig. Prinzen müssen das sein, wenn sie überleben wollen. Miyon hat das jedoch noch nicht gelernt, und das macht ihn gefährlich.«
»So gefährlich wie meine Lichtläufer-Prinzessin von Frau?«, fragte Rohan lächelnd.
Chale wirkte überrascht, brach dann aber in wieherndes Gelächter aus. »Oh, die hätte Euer Vater bestimmt geliebt!«
»Ich fühle mich wieder geschmeichelt«, meinte Rohan. Jetzt grinste auch er. »Und möchte im Gegenzug sagen, dass mein Vater Eure Vernunft und Eure Unterstützung sicher sehr geschätzt hätte.«
Chale drohte ihm mit dem Finger. »Ich sage aber nicht, dass ich Euch in allen Dingen zustimmen werde. Vorsicht!«
»Vetter, ich wäre von Euch enttäuscht, wenn Ihr das tätet.«
»Dann gebt mir noch Wein und lasst uns noch einmal auf Gemma und Tilal trinken. Und möge Euer eigener Junge weniger Schwierigkeiten haben, seine Erwählte zu erobern!«
Mit ihren grünen Augen blitzte Sioned ihren Gatten voller Zorn an. »Wie konntest du das nur tun? Es lief so gut! Miyon wäre auf unserer Seite gewesen! Chiana hatte ihn an der Angel! Du brauchtest ihr doch nur noch ein bisschen zu helfen,
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