Mondlaeufer
Farben in meinen Händen gehalten, Alasen, habe die Stärke deiner Gabe gefühlt, wie mächtig du durch unsere Ausbildung werden könntest. Komm mit mir, und ich werde dich alles lehren.«
Alasen sagte kein Wort. Andry machte einen Schritt nach vorn. Jetzt traten seine Stiefel leise auf dem Sand auf. Einen Moment schwebte seine Hand über dem Haar, das sich an ihrem Nacken lockte. Aber er berührte sie nicht. Noch nicht.
»Sag nur, dass du mich liebst«, murmelte er.
»Das weißt du doch bereits. Wir haben in unsere Seelen gesehen, Andry. So etwas kann nicht verborgen bleiben.«
»Ich möchte es hören.«
»Du bist so jung«, sagte sie nachgiebig.
Doch damit hatte sie seinen Stolz getroffen. Er trat einen Schritt zurück. »Alt genug jedenfalls, um nach Andrades Entscheidung Herr der Schule der Göttin zu sein!«
»So habe ich es nicht gemeint.« Sie drehte sich trotzdem nicht zu ihm um. »Ich meinte, dass auch ich wohl noch sehr jung bin, denn ich möchte dieselben Worte hören.«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern und fühlte, wie zart und stark sie war. »Ich liebe dich, Alasen.«
»Diese Worte sind so leicht für dich«, flüsterte sie mit gesenktem Kopf. »Was ich zu sagen habe, ist es nicht.«
Andry drehte sie bestürzt zu sich um, bis er ihre Augen sehen konnte. »Du willst also nicht mit mir kommen. Du hast Angst vor mir.«
»Bitte versuch doch, mich zu verstehen! Ich habe immer geahnt, was ich war. Ich glaube, ich habe es immer gewusst. Es gab Gründe, warum ich es nicht wissen wollte. Immer sah ich Pol: was er sein wird, wenn er groß ist. Ich wollte nicht begehrt sein, bloß weil meine Kinder Faradh’im werden könnten. Ich habe ein Recht auf eine glückliche Ehe und ein Leben mit einem Mann, der mich liebt, oder?«
»Genau das biete ich dir an. Und noch dazu Lichtläufer-Kinder.«
»Ich weiß. Aber das ist unmöglich.«
Er ließ sie los. »Aber warum? Du liebst mich …«
»Ja. Ich liebe dich«, erwiderte sie, aber ihre Stimme klang traurig. »Oh, Göttin, ich möchte dir nicht wehtun, Andry.«
»Dann …«
»Nein. Ich kann nicht.« Sie verschränkte ihre schlanken, ringlosen Hände. »Ich habe tatsächlich Angst. Was ich von der Macht gesehen und gefühlt habe, entsetzt mich. Ich kann damit nicht leben. Ich will es nicht.«
»Aber so ist es nicht. Was hier geschah …«
»Nein!«, wiederholte sie und presste dabei wie ein gehetztes Reh ihren Rücken an den Stein. »Ich werde nicht mit dir gehen.« Sie zögerte und redete dann leise weiter. »Andry, wenn du nur der Sohn deines Vaters wärst, mit einem Erbteil wie bei Sorin oder Riyan, wäre das etwas anderes. Aber du bist Herr über die Schule der Göttin. Dazu warst du berufen, und jeder, der das nicht sieht, ist ein Dummkopf. Biete mir nur nicht an, das alles für mich aufzugeben. Ich sehe es in deinen Augen. Ich würde dich niemals darum bitten. Es wäre keine Liebe, wenn ich dich dazu brächte zu verneinen, was du bist. Ebenso wie ich niemals glücklich und in Frieden versuchen könnte, etwas anzunehmen, was mir Angst macht.« Alasen berührte voller Bedauern flüchtig seine Wange. »Ich habe den ganzen Tag über an nichts anderes gedacht. Ich habe versucht, mir vorzustellen, dass ich die Ringe trage und das tue, was du kannst. Aber ich werde es nicht können. Du hast Sinn für Macht. Ich habe Angst davor.«
»Wovor hast du Angst?«, flüsterte er, und angesichts der tödlichen Ruhe in seiner Stimme wurde ihr Gesicht im Zwielicht aschfahl. »Dass ich solche Sachen tun kann?« Ein kleines, punktförmiges Flämmchen entsprang neben ihnen aus dem Stein und wehte über den Fluss. Es flackerte höher, als auch die Furcht in ihren Augen wuchs.
»Andry, bitte, es ist schon so schwer genug für mich. Mach es nicht noch hässlich.«
»Also benehmen wir uns jetzt wie zivilisierte Menschen, oder?« Fast verlor er die Kontrolle über die tanzende Flamme, als seine Gefühle in ihm wüteten und ihn halb umbrachten. Sie liebte ihn. Aber sie würde nicht mit ihm kommen.
»Hör auf! Andry, warum kannst du es denn nicht verstehen? Ich will keine Lichtläuferin sein! Was ihr könnt, macht mir nur Angst!«
»Das also ist es, wovor du dich fürchtest!«
Feuer loderte über dem Fluss empor, Feuer wurde durch die Luft zu einer Windhose aufgewirbelt, in der sich durch seine Macht auch glitzernde Wassertropfen und dunkle Erdklumpen fingen. Die Flammensäule sprang hoch in den diesigen türkisblauen Himmel und leuchtete in die Tiefen des
Weitere Kostenlose Bücher