Mondlaeufer
von Chadric. Du weißt, dass er hier Knappe war. Er kam in dem Jahr, als ich geboren wurde, und ging, als ich sechs war. Deshalb erinnere ich mich kaum an ihn.«
Pol beschrieb eifrig, wie großartig Chadric war, und währenddessen konnte sich Sioned wieder fangen – wie Rohan es beabsichtigt hatte. Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis Rohan vorschlug, dass Pol Sionell jetzt aus Höflichkeit zu ihrem neuen Pony gratulieren sollte. Pol schnitt eine Grimasse und seufzte dann.
»Sie kann wohl nichts dafür«, bemerkte er philosophisch. »Schließlich ist sie bloß ein kleines Mädchen.«
Weder Rohan noch Sioned entging, mit welcher Autorität er die drei Jahre Altersvorsprung betonte, doch sie verzogen keine Miene. Pol ging, und Rohan nahm die Hand seiner Frau.
»Es tut mir weh, wenn du dich so quälst, Liebste.«
»Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass er so etwas sagt«, sagte sie achselzuckend. »Ich hasse es, dass er mit einer Lüge aufwachsen muss … Ja, ich weiß, es ist eine notwendige Lüge, bis er alt genug ist und verstehen kann, was wirklich passiert ist und warum wir ihm nichts davon erzählt haben. Aber ich bin froh, dass der Anspruch auf Firon nicht nur durch mich kommt. Ehrlicherweise müssten wir ablehnen.«
»Und uns einen guten Grund dafür ausdenken. Aber in Firon wird sich nicht viel ändern. Pimantal von Fessenden wird seinem neuen Besitztum nicht mit großen Vorschriften kommen – besonders wenn ich erst mit ihm gesprochen habe.«
»Die gleiche Taktik wie bei der Prinzenmark. Seit vierzehn Jahren regiert dort Pandsala, und langsam wissen die Leute, wo ihr Vorteil liegt. Wenn Pol alt genug ist, selbst zu regieren, werden sie unsere Methoden ganz normal finden.«
»Ich frage mich, ob die anderen Prinzen das auch tun werden. Firon ist einfach eine gute Gelegenheit für uns. Und da sie zu mir gekommen sind, nicht ich zu ihnen, ist mein Gewissen etwas beruhigt. Aber ich muss vorsichtig sein, besonders jetzt, wo noch dieser angebliche Sohn von Roelstra im Spiel ist.« Er prustete plötzlich los vor Lachen: »Es ist unglaublich – Ajit hatte sechs Frauen und dachte bereits an eine siebte, und trotzdem konnte er ebenso wenig einen Sohn zeugen wie Roelstra.«
»Du weißt, manchmal liegt es an der Frau«, murmelte sie und lächelte, als er sich ihr bekümmert zuwandte. »Lass das. Es macht mir nichts mehr aus, Rohan. Schließlich habe ich dir doch noch einen Sohn geschenkt. Übrigens hat Ajit einen Sohn gehabt; der ist bloß vor einigen Jahren gestorben.«
»Richtig, das hatte ich vergessen.« Er hörte Geschrei und Gelächter aus dem Hof und winkte Sioned zum Fenster. »Sieh dir das mal an!«
Sie kam zu ihm herüber, und sie sahen zu, wie Walvis für seine Kinder den Drachen spielte. Er schwang ein riesiges, grünes Tuch als Flügel, und sie versuchten, ihn mit den Ponys umzureiten. Die Kinder lachten so sehr, dass sie sich kaum im Sattel halten konnten. Die aufgebrachten Ponys mussten auf und ab, hoch und runter laufen, während ihre Reiter mit Holzschwertern auf den Drachen losgingen. Pol stand dabei. Es war ihm anzusehen, dass er zu gern mitgespielt hätte, doch seine Würde als Rohans Erbe und Lleyns Knappe hinderte ihn daran. Sionell löste das Problem, indem sie zu ihm hinüberpreschte und ihm ihr Schwert zuwarf. Pol verbeugte sich vor ihr und stürmte dann vor, um für sie den Drachen zu töten.
»Sie ist einfach wunderbar!«, lachte Rohan. »Genau das, was er braucht.«
»Hm, wenn er älter ist, werden wir ja sehen, ob er die Vorliebe seines Vaters für Rotschöpfe geerbt hat«, neckte sie ihn zärtlich.
»Ich fände es nett. Aber er kann sich seine Braut aus vielen Mädchen auswählen.«
»So wie du? Ich erinnere mich noch an das Jahr in Waes, wo du bis zur Hüfte in Prinzessinnen gewatet bist.«
»Und wo ich in einem Paar grüner Augen ertrank«, erwiderte er galant und küsste sie.
»Wie romantisch«, lachte sie. »Bring Pol noch ein paar von diesen Tricks bei, dann lassen sie ihn überhaupt nicht mehr in Ruhe.«
»Ich weiß nicht recht, ob es wirklich so eine angenehme Erfahrung war. Apropos Waes, was war denn das mit Maarken?«
»Das sag ich nicht. Du kannst mich foltern, aushungern, mir die Fingernägel ausreißen, mich ins Verlies werfen oder mich kitzeln – ich sage kein Wort.«
»Ich habe kein Verlies. Und ich habe heute schon genug gekitzelt, besten Dank. Folter ist eine schmutzige Sache, und wenn ich versuchen würde, dich auszuhungern, würden meine
Weitere Kostenlose Bücher