Mondlaeufer
treuen Diener die Methode wohl zuerst an mir ausprobieren. Aber das mit den Fingernägeln …« Er nahm ihre Hand und nagte an den Fingerspitzen. »Das ist wirklich eine Idee«, gab er zu. »Zumindest könntest du mich im Bett nicht mehr kratzen. Du kannst wirklich überzeugen, Sioned.«
Sionell gratulierte Pol gerade zu seinem Einsatz. Walvis war im Schloss verschwunden, wahrscheinlich um mit Chay und Maarken zu reden. Rohan sah Jahnavi, der mit seinen acht Jahren schon ein fähiger Reiter war, ein paar gewagte Manöver um den Wassertrog herum ausführen. Doch sein Hauptaugenmerk galt Pol, der sich schulterzuckend von Sionell abwandte und in die Gärten lief. Das Mädchen stampfte auf und rannte ihm nach.
»Weißt du was«, überlegte Rohan laut, »ich glaube, ich würde ihm gern ein Schloss bauen.«
»Du hast schon ein paar Schlösser.«
»Keine Burg, sondern einen Palast. So etwas wie Lleyns Graypearl. Keine Festung für den Krieg, sondern einen friedlichen Palast mit vielen Gärten, Fontänen und so.«
»Und wo würdest du dieses Wunderwerk ansiedeln?«
»Auf halbem Wege zwischen Stronghold und der Felsenburg. Ich werde unterwegs schon einmal ein paar Stellen begutachten. Überleg doch nur, Sioned, ein neuer Palast für einen neuen Prinzen, der beide Länder vereint. Ich möchte nächstes Frühjahr mit dem Bau beginnen; dann ist er fertig, wenn Pol eine Frau nimmt.«
»Ich wette, es wird Sionell. Und als Einsatz …«
»Erpresserin. Was willst du, wenn du gewinnst?« Er lächelte sie an.
»Feruche.«
Der Schreck fuhr ihm durch alle Glieder. Er zuckte vor ihr zurück: »Nein!«
»Der Pass durch den Veresch ist wichtig, Rohan. Feruche hat ihn immer bewacht, aber jetzt ist dort nicht einmal mehr eine Garnison. Feruche sollte wieder aufgebaut werden.«
»Ich will mit diesem Ort nichts mehr zu tun haben«, fuhr er auf und sah mit leeren Augen aus dem Fenster. Feruche, das schöne, rosarote Schloss, das sich aus den Felsen erhoben hatte; die mörderische Frau, die dort geherrscht hatte; die Nacht, in der er sie vergewaltigt und sie seinen Sohn empfangen hatte.
»Du hast einmal versprochen, dass du mir Feruche schenken würdest«, erinnerte ihn Sioned. »Es leben Drachen in der Nähe, die beobachtet und beschützt werden müssen. Ich will Feruche, Rohan.«
»Nein. Niemals!«
»Nur so können wir je vergessen, was wir dort erlebt haben. Ich habe es mit Lichtläufer-Feuer zerstört – für mich liegt es in Schutt und Asche. Für dich aber steht es noch, denn du bist nie wieder dort gewesen, um dir die Verwüstung anzusehen. Ich will, dass es wieder aufgebaut wird, Rohan, damit es nicht mehr Ianthes Schloss ist, sondern unseres.«
»Nein!«, schrie er und wandte sich zur Tür. »Ich baue es nicht wieder auf; keine zehn Pferde bringen mich dorthin! Und ich will nicht, dass du noch einmal davon anfängst!«
»Wenn wir Pol die Wahrheit sagen, sollen wir ihm dann die Ruine zeigen, wo er empfangen und geboren wurde, wo seine Mutter starb? Oder bauen wir ein neues Schloss, das nichts von dem alten an sich hat und nicht mehr davon zeugt, was dort geschehen ist?«
Er blieb stehen, die Hand am Türknauf. »Wenn du mich liebst, erwähne nie mehr den Namen dieses Ortes. Solange wir leben.«
»Weil ich dich liebe, muss ich ihn aussprechen. Ich will Feruche, Rohan. Und wenn du es nicht wieder aufbaust, werde ich es tun.«
Kapitel 7
Lady Andrade stand an den geschlossenen grauen Fenstern der Bibliothek und wandte Urival und Andry den Rücken zu, damit sie nicht sahen, wie sie nervös ihre Hände knetete. Ihr Stolz verbot ihr, sich an den Kamin zu setzen, wonach ihr frierender Körper verlangte, und sie widersetzte sich vor allem dem Wunsch ihrer alten Knochen nach einem weichen Bett. Ärgerlich sah sie zum regenverhangenen Turm auf der anderen Seite des Innenhofes hinüber. War der Winter diesmal kälter, der Frühlingsregen schlimmer als sonst gewesen, oder spürte sie nur ihr Alter? Das letzte Neujahrsfest war ihr siebzigstes gewesen; verglichen mit Prinz Lleyn war sie jedoch noch ein Kind.
»Wie konnten sie nur Dorval verlassen und an diesen grässlichen Ort gehen?«, murmelte sie.
Urival stellte sich wie ein Jagdmeister, der sich einem scheuen Wild nähert, lautlos neben sie. »Es ist der letzte Frühlingssturm. Aber du hast recht – Wolken sind die natürlichen Feinde der Lichtläufer. Warum haben sie wohl wirklich hier gebaut?«
Sie steckte die Hände in die Taschen, um deren Zittern zu verbergen, und
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