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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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rief, doch er beachtete sie überhaupt nicht. Verärgert griff sie nach seinem Ärmel. »So warte doch! Wo willst du denn so schnell hin?«
    »Ich bin für meinen Vater unterwegs. Lass los.« Er riss seinen Arm los.
    »Kann ich mitkommen?«
    »Nein.«
    Sie kam trotzdem nach und hörte von der Schwelle aus, wie Pol Myrdal und deren Tochter Maeta mitteilte, dass man noch am gleichen Abend nach Skybowl aufbrechen würde.
    »Gut«, sagte Maeta. »Es ist ein langer Ritt – aber am Ende warten Ostvels Küche und sein Weinkeller auf uns.«
    »Wenn es ein Pferd in den Ställen gäbe, das sanft genug für meine alten Knochen wäre, käme ich gern mit«, seufzte Myrdal. »Chaynal, der gute Junge, hat in seinem ganzen Leben kein langsames Pferd gezüchtet.«
    »Ihr könntet mein Pony nehmen«, bot Sionell ihr scheu an. »Wir könnten jede Menge Satteldecken darauflegen.«
    »Danke, mein Kind, aber in meinem Alter würde nicht einmal ein Pferd aus Daunen genügen«, lächelte Myrdal.
    »Ich gebe die nötigen Anweisungen, Herr«, sagte Maeta zu Pol. »Wenn Ihr so gut wäret, Eurem Vater das zu sagen …«
    »Natürlich.« Er schlüpfte wieder hinaus auf den Hof und ärgerte sich, dass Sionell neben ihm herhüpfte.
    »Ich komme auch mit«, verkündete sie. »Auf meinem neuen Pony.«
    »Wie schön«, brummte er.
    »Ist Myrdal wirklich mit dir verwandt? Man sagt, sie sei eine Cousine deines Großvaters oder so, stimmt das?«
    »Du solltest nicht immer zuhören, wenn andere sich unterhalten. Das ist unhöflich.« Er vergaß dabei ganz, dass er heute genau dasselbe getan hatte, wenn auch versehentlich.
    »Was kann ich dafür, wenn die Leute reden und dabei vielleicht Dinge sagen, die sie nicht sagen sollten. Mama sagt, die Göttin gab uns Augen, um zu sehen, und Ohren, um zu hören …«
    »Und einen Mund, um alles zu wiederholen, was du hörst?«
    »Du bist es, der unhöflich ist!« Sionell überholte ihn und versuchte vergeblich, ihm den Weg zu versperren. Sie pflanzte sich vor ihm auf. »Entschuldige dich.«
    »Wofür?«
    »Für dein Benehmen! Sag, dass es dir leidtut.«
    »Nein!« Er wusste, dass er sich kindisch verhielt, aber irgendetwas an dieser kleinen Kröte brachte ihn zur Weißglut. Der Gedanke, sie in Skybowl ununterbrochen auf dem Pelz zu haben, war nicht auszuhalten.
    »Sag es!«
    »Sprich nicht in diesem Ton mit mir«, sagte er warnend.
    »Warum nicht? Weil du ein Prinz bist? Aber ich bin auch nicht einfach irgendwer – ich bin Lady Sionell von Retnagev, und du bist bloß ein unverschämter Junge!«
    Er richtete sich erbost auf. »Du bist viel unverschämter als ich – falls ich es überhaupt war, was nicht stimmt! Und ich bin zufällig der Erbe des Hoheprinzen!«
    Eine andere Stimme erklang hinter ihm mit scharfem Missfallen. »Du bist ein anmaßender Lümmel, dem man für diesen Ausspruch den Hintern versohlen sollte. Entschuldige dich auf der Stelle«, fuhr ihn Sioned an.
    Pol presste schweigend die Lippen aufeinander.
    Die grünen Augen seiner Mutter verengten sich einen Moment lang, dann sah sie Sionell an. »Was war hier los?«
    »Nichts, Hoheit«, flüsterte das Mädchen. »Es tut mir leid, mein Prinz.«
    Diese plötzliche Einsicht war für Pol noch erstaunlicher als die Tatsache, dass sie plötzlich seinen Titel benutzte. Doch wenn sie großzügig genug war, seiner Mutter nichts von seinem schlechten Betragen zu erzählen, und sich noch dazu entschuldigte, konnte er ihr nicht nachstehen.
    »Es tut mir auch leid – Herrin«, brachte er leise heraus.
    Sionells blaue Augen wurden ganz rund vor Staunen, als er ihr diesen Ehrentitel gab – es war das erste Mal, dass jemand von Adel sie ernsthaft mit ihrem Titel anredete.
    Sioned sah die beiden an. »Ich denke, ich werde nie erfahren, warum wir all diese Entschuldigungen brauchen. Sionell, tust du mir einen Gefallen? Sag Maeta, dass ich heute Nacht gern Selca reiten würde, falls ihr Huf geheilt ist.«
    »Ja, Herrin.« Sie lief davon.
    Pol sah seine Mutter an und erwartete angespannt ihren Tadel. Was kam, war weniger, als er verdient hatte – und schlimmer, als er erwartet hatte.
    »Ein Prinz, der Leute an seine Stellung erinnert, ist kein großer Prinz«, sagte sie. Mehr nicht.
    Er schluckte, nickte und folgte ihr schweigend zurück ins Schloss.
    Am späten Nachmittag des folgenden Tages kamen sie in Skybowl an. Die Burg selbst war von den Dünen im Tal aus nicht zu sehen. Die einzigen Zeichen für die Anwesenheit von Menschen waren die kleinen

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