Mondscheinzauber - Jones, C: Mondscheinzauber - Moonshine
mächtig rangegangen – na ja, offen gestanden ganz schön krass, für alte Leute jedenfalls – und habt euch gegenseitig total niedergeknutscht …‹«
21. Kapitel
Der Bus nach Gorse Glade fuhr, von einem wilden Herbststurm gepeitscht, quälend langsam in der Dunkelheit über die gewundenen Landstraßen Berkshires.
Mach schon!, drängte Elvi. Um Gottes willen, leg einen Zahn zu!
»Praktisch volles Haus für Soziale Integration«, sagte Sophie, die neben ihr saß. »Ich weiß ja, dass die Teilnahme beim Abschluss in Sozialkunde angerechnet wird, aber da die Veranstaltung freiwillig ist, überrascht es mich doch, dass so viele von uns heute Abend aufgekreuzt sind.«
»Mich nicht.« Kate beugte sich über den schwankenden Mittelgang. »Wie oft bekommen wir schon ein nobles Knabeninternat von innen zu sehen? Nicht, dass ich an den noblen Knaben auch nur das geringste Interesse hätte. Mein Mason sagt …«
»Was auch immer dein Mason sagt«, spottete Sophie, »endet jedes Mal mit ›oder was?‹ und ist meistens Quatsch.«
»Kinder!«, rief Elvi kichernd, »vertragt euch!«
Sie lehnte den Kopf in den Sitz zurück. Sophie hatte Recht. Die meisten Schüler der elften Klasse waren an diesem kalten, nassen und windigen Oktoberabend einfach deshalb aufgetaucht, weil Gorse Glade so völlig jenseits ihres eigenen Erfahrungshorizonts lag.
Natürlich war das aber nicht der Grund für ihre Teilnahme.
Sie seufzte vor Ungeduld, es kribbelte sie in den Fingern, zu ihrer Schultasche zu greifen und ihr Handy herauszuholen. Aber das ging nicht. Handys waren im Gymnasium von Winterbrook strikt verboten. Wenn man damit erwischt wurde, wurde es bis zum Ende des Halbjahres konfisziert. Nie im Leben würde Elvi ihre einzige Kommunikationsmöglichkeit mit Zeb aufs Spiel setzen.
Viele der anderen Mädchen kauften sich dann eben einfach ein neues Telefon, aber das könnte sie sich nicht leisten. Nein, sie würde wohl einfach dasitzen und im Schneckentempo auf Gorse Glade zurollen müssen und hoffen, dass Zeb auf sie wartete.
In seiner letzten SMS, bevor sie den Bus bestiegen hatte, hatte er geschrieben, er wäre da und würde sie erwarten. Käme fast um vor Sehnsucht. Zähle die Minuten. Sie hatten noch keine Ahnung, wie es dann weitergehen würde. Aber sie würden sich irgendwas einfallen lassen.
Elvi, die an nichts anderes mehr denken konnte als an Zeb und ihn wie wahnsinnig liebte, hatte schreckliche Angst, dass während der Fahrt irgendetwas Schlimmes passieren könnte, das ihr Zusammentreffen verhinderte. Was, wenn der Bus eine Panne hatte? Was, wenn sie niemals dort ankämen? Was, wenn …?
Wenn sie ihm doch nur eine SMS schreiben könnte …
Oh Gott! Was haben die Leute nur gemacht, als es noch keine Handys und E-Mails gab? Ihre Mum hatte gesagt, als sie in Elvis Alter war, hätten sie zu Hause nicht einmal ein eigenes Telefon gehabt. Und wenn sie irgendwem eine Nachricht zukommen lassen oder mit ihrem Liebsten sprechen oder sich mit Freunden verabreden wollte, hatte sie die ätzende Telefonzelle vor dem Gemischtwarenladen in Lovers Knot benutzen müssen.
Wie vorsintflutlich war das denn?
Und, noch viel schockierender, ihre Oma hatte ihr erzählt, dass sie neben Gesprächen in der öffentlichen Telefonzelle ihren Freunden auch Liebesbriefe zu schreiben pflegte und diese ihr dann zurückschrieben. Briefe! Briefe, die mit Briefmarken beklebt, zur Post gebracht, ausgetragen, in Empfang genommen und beantwortet und erneut aufgegeben werden mussten.
Das hatte ja sicher Monate gedauert!
Oh mein Gott, dachte Elvi. Wie krass ätzend musste Verliebtsein in alter Zeit wohl gewesen sein!
Der Bus rumpelte dahin. Zum Verrücktwerden langsam. Sophie schlief ein. Kate – die für ihren Kerl offenbar alles zu riskieren bereit war – simste an Mason und nuckelte an einer Flasche Alkopop.
Elvi ächzte vor sich hin. Fuhr der Bus rückwärts? Wahrscheinlich erreichten sie ihr Ziel nie im Leben.
Aber schließlich kamen sie doch an.
»Hier entlang, Mädchen!«, rief Miss Chamberlain gebieterisch. »Nicht trödeln! Raus aus dem Bus und in die Empfangshalle! Es regnet stark, und ich will nicht, dass sich eine von euch eine Erkältung holt. Hier entlang – hurtig!«
Sie strömten aus dem Bus und in den Regen.
Elvis Herz klopfte so heftig, dass sie überzeugt war, jeder müsse es hören können.
Das war es also. Ohne auf den heulenden Wind und den Regen zu achten, blieb sie stehen und betrachtete Gorse Glade einen Moment
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