Mondscheinzauber - Jones, C: Mondscheinzauber - Moonshine
lang.
Wie wunderschön. Was hatte Zeb doch für ein Glück.
Die Abtei aus dem sechzehnten Jahrhundert, von sanften Flutlichtern angestrahlt, sah wunderbar gespenstisch aus, insbesondere in der Dunkelheit und dem strömenden Regen. Weitläufig und wohlproportioniert, mit ausgetretenen Stufen und Sprossenfenstern wirkte das Gebäude wie ein Bild aus einem Traum.
»Ist das cool oder was?«, hauchte Sophie und vergaß ganz, sich unbeeindruckt zu geben. »Kein Wunder, dass von hier aus so viele nach Oxbridge kommen. An so einem Ort gibt man sich beim Lernen bestimmt extra viel Mühe, meinst du nicht?«
Elvi nickte, sie war viel zu aufgeregt, um zu sprechen.
Kate steckte hastig ihr Handy außer Sichtweite und beglotzte die Pracht mit offenem Mund. »Mann! Das ist ja echt hammergeil!«
»Mädels!« Miss Chamberlains Ruf wurde vom Winde verweht. »Hier entlang! Lauft!«
Die anderen Kollegiumsmitglieder aus Winterbrook waren, wie Elvi am Rande bemerkte, bereits nach drinnen geeilt, um dort von den allesamt mit Talaren bekleideten Gorse-Glade-Lehrern begrüßt zu werden. Sie ging langsam, obwohl ihr der Wind die Haare ins Gesicht peitschte und der Regen ihr in die Augen stach, denn es hätte durchaus sein können, dass Zeb über genau diese Stelle schon gegangen war. Seine Füße waren eben den Weg entlanggeschritten, den sie nun entlangschritt. Sie berührten denselben Boden.
»Elvi! Hör auf zu träumen! Komm schon. Beeil dich.«
In dem Wissen, dass sie nun nur noch Sekundenbruchteile vom Zusammensein mit Zeb entfernt war, beeilte sich Elvi.
Mit trockenem Mund folgte sie den anderen Mädchen in die holzgetäfelte und goldgeschmückte Aula. An den Wänden hingen Porträts und echte Samtvorhänge, Kronleuchter funkelten sacht und warfen Pfützen sanften Lichts auf den glänzenden Holzfußboden. Ein Hauch von Lavendel lag in der Luft.
Hier gab es keinen nervtötenden Elektropop. Leise wehte klassische Musik durch den Saal, und ein pickeliger Junge reichte jeder von ihnen ein richtiges geschliffenes Kristallglas mit etwas Bernsteinfarbenem und Prickelndem darin.
»Das ist doch nicht etwa Alkohol?«, zischte Miss Chamberlain. »Diese Mädchen sind alle unter achtzehn. Sie dürfen keinen Alkohol anrühren.«
Kate kicherte.
»Alkoholfrei«, versicherte ihr der pickelige Junge in herrlich tiefer, wohlmodulierter Stimmlage. »Auf dem Schulgelände von Gorse Glade ist Alkohol nicht gestattet.«
Elvi lächelte vor sich hin.
»Wie ihr wisst, werden über euer Verhalten Berichte verfasst«, sagte Miss Chamberlain und rieb energisch die Hände aneinander. »Wir haben zwei Stunden, Mädels, und ich möchte, dass ihr nicht eine Minute davon vergeudet.«
Glaub mir, dachte Elvi berauscht, das habe ich gewiss nicht vor.
»Also, nun los und tummelt euch. Kein Herumhängen im Randbereich. Tauscht Meinungen aus. Macht den Mund auf, Mädels, und hört zu, was gesagt wird. Sprecht, lauscht und lernt die Kunst der Konversation. Das ist ein wichtiger Teil eurer Ausbildung. Und denkt daran, ich – und die anderen Kollegen – werden euch beobachten.«
Das will ich aber nicht hoffen, dachte Elvi, deren Blicke die Menge der Gorse-Glade-Jungen bereits nach Zeb absuchten.
»Hört, hört!« Henry Bancroft, der noch immer rosa, weiß und flauschig aussah, steuerte auf sie zu. »Kennen wir uns nicht?«
»Hä …?« Elvi sah ihn fragend an. »Ja, natürlich kennen wir uns. Ich bin es – Elvi.«
»Ich weiß ganz genau, wer du bist«, zischelte Henry. »Ich schauspielere bloß. Falls wir belauscht werden. Letztes Schuljahr hab ich im Hamlet die Ophelia gespielt, weißt du.«
Lieber Himmel!, dachte Elvi.
»Äh, ja.« Sie lächelte ihn an und hob ihre Stimme. »Ja, ich glaube, ich erinnere mich an dich von unserem Soz-Int-Abend in Winterbrook. Öhm, Harry, nicht wahr?«
»Henry«, soufflierte er. »Geh mir einfach nach, quer durch den Saal. Sprich ganz normal. Schönes Wetter, heute, findest du nicht?«
»Es ist wie im Monsun da draußen.«
»Ah, ja. Und hattest du schöne Ferien?«
»Du bist doch kein Friseur«, kicherte Elvi. »Und wo ist Zeb?«
»Nicht hier.«
Elivs Herz blieb stehen. Ihr wurde übel. Ihre Finger umklammerten den Stiel des Glases.
Hatte sie es doch gewusst.
Irgendetwas war geschehen, sodass sie nicht zusammenkamen. Nie würde sie ihn wiedersehen. Er hatte es sich anders überlegt. Die grässlichen elterlichen Enthüllungen beim Erntefest hatten ihm schlagartig klargemacht, dass sie keine gemeinsame Zukunft
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