Mondscheinzauber - Jones, C: Mondscheinzauber - Moonshine
teils entsetzt, teils eifersüchtig. Nicht, dass sie sich einen Freund wie Mason gewünscht hätte, denn er war – nun, offen gestanden war er ihr ein bisschen unheimlich. Und obwohl er in Berkshire geboren und in der Bath-Road-Siedlung von Hazy Hassocks aufgewachsen war, sprach er wie ein Gangsta-Rapper, und sie konnte ihn manchmal kaum verstehen. Doch schien er Kate auf seine derbe und ruppige Art und Weise sehr zugetan zu sein, und Kate trug seinen goldenen Siegel-Schlagring an einer Kette unter ihrer Schuluniform und sagte, sie würden heiraten, sobald sie mit dem Abitur fertig wäre oder schwanger würde – je nachdem, was zuerst kam.
Nein, dachte Elvi, einen Freund wie Mason wünschte sie sich gewiss nicht, aber überhaupt einen Freund zu haben, wäre schon schön. Einen, mit dem sie alle möglichen gemeinsamen Interessen hätte, einen, der sie zum Kichern brächte wie Kate und auf andere Gedanken als immer nur über den komplizierten langatmigen Chaucer und den schrecklichen Shakespeare mit seinen himmelschreiend vorhersehbaren Handlungsverläufen und die elend öde, nervige, zimperliche, tussige Jane Austen.
Elvi war sich ziemlich sicher, dass sie den A-Level-Kurs in Englisch sicher längst hingeschmissen hätte, wenn es da nicht auch noch Tennyson und Larkin und Dickens und Stella Gibbons und die bewundernswerte Harper Lee gegeben hätte.
Sie seufzte. Ihr ganzes Leben drehte sich um die Schule und ums Lernen, und weil ihre Eltern so stolz darauf waren, dass sie Verstand hatte und ihn auch einsetzte, wusste sie, dass sie zur Uni gehen musste und sie nicht enttäuschen durfte. Es sah also so aus, als ob ihr noch mindestens weitere zwei Jahre erzwungenen Zölibats bevorstünden.
Doch andererseits musste man sich ja nur mal Cleo ansehen. Cleo war so was von cool. Cleo hatte ewige Zweisamkeit gehabt und verloren und schien auch ohne sie rundum zufrieden zu sein. Vielleicht waren Beziehungen doch nicht das Ein und Alles – aber es wäre schon nett, sich ein eigenes Urteil bilden zu können.
»Mädels!« Miss Chamberlain, die Chemielehrerin, steuerte auf sie zu. »Vorwärts! Hier geht es um soziale Kontakte und Integration. Den ganzen Abend über habe ich euch weder bei dem einen noch dem anderen gesehen. Jetzt teilt euch auf und zieht los und tummelt euch. Stellt euch vor. Das hier gehört zum Unterricht, wisst ihr. Ihr lernt, euch wie junge Damen zu benehmen. Ihr lernt, wie man sich bei geselligen Anlässen dem anderen Geschlecht gegenüber angemessen beträgt.«
Kate prustete laut los.
»Und teilt euch auf!«, sagte Miss Chamberlain scharf. »Kate, du gehst dort hinüber. Sophie, zu der Gruppe bei der Tür, und Elvi, du kannst dich zu den Jungen bei der Bühne gesellen. Hurtig!«
Elvi, Sophie und Kate lösten sich widerstrebend vom Fensterbrett und taten, wie ihnen geheißen, denn jegliche Form von Ungehorsam wurde in Winterbrook schlichtweg nicht geduldet.
Die Jungen bei der Bühne standen mit den Rücken zu ihr. Shellie und Bex, zwei sozial aufstrebende Elftklässlerinnen, hingen kichernd am Rand der Gruppe herum.
Elvi bemühte sich, den von oben kommenden Lautschwall der Human League zu ignorieren, und holte tief Luft.
»Hi, ich bin Elvi Reynolds.«
Der nächststehende Rücken – mit grellfarbenem Hahnentrittkaro bekleidet – wandte sich um und starrte sie an. Er war ganz in Rosa und Weiß und sah aus wie ein Baby mit flaumig sprießendem Schnurrbart und Akne.
Entschlossen, ein Buch nicht nach seinem Umschlag zu beurteilen, lächelte Elvi. »Ganz schön langweilig, oder? Wir müssen das dieses Halbjahr mehrmals durchziehen, und ich wette, es wird jedes Mal total ätzend. Wie siehst du das?«
Ohne auf diese Frage einzugehen, rümpfte das Hahnentrittkaro die Nase. »Ist Elvi eine Abkürzung? Oder ist das ein richtiger Name?«
»Walisisch. Die Familie von meinem Dad kam ursprünglich aus Wales.«
»Dad« , näselte Hahnentritt affektiert. »Zweifellos sagst du auch ›Salon‹ und ›Chaiselongue‹ und ›Toilette‹, stimmt’s?«
»Nee.« Elvi schüttelte den Kopf. »Da ich in einem Wohnwagen wohne, haben wir nicht genug Platz für einen Salon, und wir sitzen auf Kisten und benutzen ein Plumpsklo im Freien.«
Hahnentritt röhrte vor Lachen. »Touché! Das nenne ich gut gegeben. Ich bin Henry Bancroft. Freut mich, dich kennenzulernen, Elvi. Und ja, diese Veranstaltungen sind offen gestanden ziemlich unerträglich. Aber da wir dreißig Wochen des Jahres in unseren Elfenbeinturm elitärer
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