Mondschwingen (German Edition)
fürchtete sich davor aufzustehen und
hinaufzugehen, doch sie musste, denn Amber würde verbluten ohne ihre Hilfe. Gebeugt
schlich Svija hinauf, ihre Schritte waren kaum zu hören auf dem Stein. Wenn sie
nur ganz kurz an Gwaedjas Hinrichtung dachte und daran, dass sie und Amber, nur
sie allein, sie retten konnten, dann wurde ihr flau und sie wollte nichts als
schlafen und alles um sich herum vergessen.
Irgendwann, es war nicht
viel Zeit vergangen und im Nachhinein wunderte sie sich, dass sie den Weg
zurück so leicht gefunden hatte, kam sie auf den Burghof, der genauso dunkel
und still wie vorhin schon vor ihr lag.
„Da bist du endlich.“
Amber kam von der Seite herbeigestürmt und umarmte Svija. „Es wird schwierig
sein, vielleicht werden wir sterben und Kastja noch dazu, aber wir werden es
versuchen, nicht wahr? Wir schaffen es. Irgendwie.“
„Natürlich retten wir sie“, flüsterte Svija
und ihre Worte klangen wie eine Lüge. „Warum blutest du nur so? Warum hast du
das getan?“
„Ich hab mich nur den
Arm aufgeschlitzt, die Wunde ist nicht sehr groß. Es sieht schlimmer aus, als
es ist. Ich habe ein Stück von meinem Rock darum gebunden, die Wunde wird
verheilen, wenn ich lang genug warte.“ Sie zog den Mantel von ihrem linken Arm
und zog ihren Ärmel herauf. Ein dunkles Stück Stoff war um ihren Oberarm
gebunden, Blut floss darunter hervor. „Ich wollte nur frei sein, ich wollte aus
diesen schrecklichen Kerkern heraus, damit ich Gwaedja retten kann. Niemand
sonst kann das tun, nur du und ich.“ Sie fasste Svija an der Hand und gemeinsam
liefen sie los, ohne noch ein Wort zu sagen.
LINUS
und der Untergang
Wasser. Überall war
Wasser, eisig kalt, nur Wasser und Stein, irgendwo unter ihm. Er wurde hin und
her gewirbelt, tanzte und drehte sich und wurde weiter nach hinten gerissen. Der
Tunnel rauschte an ihm vorbei, ohne, dass er es merkte.
Das Wasser war so kalt,
dass es sich wie tausend Messerspitzen anfühlte. Es zerfetzte ihn beinahe und
ließ ihn nur daran denken, an diesen Schmerz, und gleichzeitig auch an nichts.
Der Tunnel brüllte und bebte, Holzstücke trafen Linus im Gesicht.
Plötzlich spürte Linus nichts
mehr, kein Wasser, keine Steine und ehe er es wirklich verstand, begann er zu
fliegen. Er wusste nicht wohin, denn er wusste nicht, wo oben und wo unten war,
er wusste nur, dass er es jetzt tun musste, bevor es zu spät war. Er schlug die
Augen auf und sah sich um. Unter ihm schäumte das Wasser, ein spiegelglatter
See hatte sich am Boden der Höhle ausgebreitet. Dort waren Arme, die sich in
die Höhe streckten, Gesichter, die nach oben schauten, Münder, die schrien und
nach Hilfe riefen. Andere Gestalten retteten sich rasch zu den Leitern und
Tunneln, bevor sie das letzte Stück Boden unter den Füßen verloren.
Auf einer Leiter, knapp
über dem See, sah Linus Hint oder Farg, der seinen Zwillingsbruder aus dem
Wasser zog.
Linus wandte den Blick
ab und suchte nach Glinx in der strampelnden, tobenden Menge. Es waren viele,
die zappelten und schrien, kaum jemand konnte schwimmen, andere gingen
kreischend mit ihren schweren Rüstungen unter.
Ein Wasserfall sprudelte
aus dem Tunnel, in dem Linus und die Zwillinge gegraben hatten. Die
Tunnelöffnung vergrößerte sich, riss Geröll und Leitern mit sich und spuckte
sie in die schäumende Tiefe. Das Wasser stand noch nicht sehr hoch, denn es
fand immer neue Löcher und Tunnel, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis der
Pegel stetig steigen würde.
„Was fällt dir nur ein,
Bürschchen?“ Schreie über Schreie, doch diese einzelne Stimme war am lautesten
und stach unter allen anderen am deutlichsten hervor. „Du bist verrückt, du
bringst uns alle um. Was fällt dir ein, verdammt?“
Glinx hing an einer
Leitersprosse und winkte mit einem Arm unter Flüchen und Verwünschungen zu
Linus herauf. Kaum war er nah genug, ergriff ihn Glinx am Mantel und zog ihn so
nah an sich heran, dass sie Nase an Nase voreinander standen. „Das warst du, nicht
wahr? Ich seh‘ es dir an!“
Linus sagte nichts, zu
groß war die Angst.
„Bist-du-das-gewesen?“
Glinx‘ Stimme überschlug sich, sein Brüllen war im Stollen unüberhörbar.
Linus nickte nur. Mit
einem Mal fühlte er sich dumm und klein in den Händen von Glinx. Wenn sie alle
starben, alle Menschen dort unten, war einzig und allein er schuld. Plötzlich
heulte er, ohne es wirklich zu merken, er weinte einfach und konnte nichts
dagegen tun. Glinx schlug ihm ins Gesicht
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