Mondschwingen (German Edition)
Krähen. Sie schwebten zum Dach, suchten
nach Lücken und Löchern im Holz.
Das soll alles gewesen
sein ?, dachte Toiva. All die Mühen, all das Blut
umsonst?
„Ruhe!“, donnerte sie
und drehte sich mehrmals im Kreis. „Wir müssen Ruhe bewahren!“ Doch kein
einziger hörte ihr zu, kein einziger schaute sich zu ihr um.
„Was soll ich tun?“
Toiva sah Einar verzweifelt an, doch er sagte wieder nichts. Blinzelte nur, was
er immer getan hatte, wenn er nervös gewesen war.
Ich hätte ihnen den Befehl geben sollen. Sie hätten kämpfen
sollen.
„Ich geh durch die
Wände, mir kann das Feuer nichts anhaben.“ Einar wartete auf keine Antwort,
doch Toiva rannte ihm auf wackligen Beinen hinterher.
„Was willst du tun?“,
schrie sie. Ein Dachbalken kam nur ein paar Fingerbreit neben ihnen auf und
zerbarst in hundert brennende Einzelteile. „Was willst du tun, wenn du draußen
bist?“
„Die Jäger töten, einen
nach dem andern. Ich werde die Türen öffnen.“ Es klang so einfach, wie er es
sagte.
„Du selbst wirst die
Türe nicht öffnen können, du kannst nur hindurch gehen. Du wirst keine Hilfe
finden, keine aus Fleisch und Blut.“ Toiva stockte, traute sich nicht, ihm in
die Augen zu sehen. „Bleib bei mir“, flüsterte sie. Du bist so feige, so unendlich dumm.
Einar sah sie bedauernd
an, sein Kopf bewegte sich fast unmerklich. „Ich werde gegen sie kämpfen,
zusammen mit den anderen Geistern. Sie sind irgendwo draußen, schätze ich.“ Er
beugte sich zu Toiva herunter, sein Gesicht war ganz nah an ihrem. „Ich werde
mich beeilen. Ich bin da, bevor es zu spät ist.“ Dann drehte er sich um und
ging.
Schreie erklangen, die
Türe wackelte in ihrem Rahmen. Die Stimmen in der Gasse klangen seltsam fern,
als gehörten sie in eine andere Welt.
Toiva schüttelte ihre
Gedanken fort und schaute sich um. Die Decke verlor immer mehr Balken und
Bretter, ächzend kamen sie in der Menge auf und entfachten neues Feuer. Die
Lagerhalle glühte, die Luft konnte man bald nicht mehr atmen, so sehr war sie
mit Rauch und Asche geschwängert. Einar musste sich beeilen, musste irgendetwas
tun. Die Wände schienen nur noch aus Feuer zu bestehen, aus dem Boden stachen
Flammen. Toiva sprang mehrere Schritt empor, bevor das Feuer ihre Stiefel und
ihren Mantel versengte.
Körper waren überall,
drängten sich neben und unter und über ihr.
Der Rauch schien Toiva zu
betäuben, begrub alles andere unter sich. Wir haben verloren, dachte Toiva als
letztes. Alles umsonst.
SVIJA
und die Ankunft auf Skopenvang
„Falls ich die Magier
zwischen die Finger bekomme, werde ich sie töten.“ Amber spie ihre Wut hervor und
ließ sie an den Tunnelwänden kleben. „Warum haben sie den Tunnel verkürzt und
dennoch so lang gelassen. Meine Füße … wisst ihr, wie die sich anfühlen? Das
sind nur noch zwei Stumpfe, mehr nicht.“
„Die Kräfte der Magier
sind eben nicht groß genug um einen derart langen Tunnel zu verkürzen“,
beschwichtigte Gwaedja ihre Tochter, die Fackel in der Hand. Am Anfang des
Tunnels waren zahlreiche Fackeln an eisernen Halterungen gehangen. Eine davon hatten
sie mitgenommen, doch sie leuchtete immer schwächer.
„Was ist, wenn wir zu
spät kommen?“ Svija lief zusammen mit Linus vorne voraus, ihre Köpfe hatten sie
immerzu eingezogen. „Ich glaube, wir sind nicht schnell genug.“
„Wir werden es merken.“
Linus fiel es schwer zu sprechen, die Dunkelheit machte ihm zu schaffen. „Wenn
wir zu spät kommen, werden wir sterben. Spätestens dann sehen wir, dass wir zu
langsam waren.“
Svija lachte. „Ich kann
immer noch nicht glauben, was wir vorhaben.“
„Was meinst du?“ Linus
konnte nur ahnen, was sie meinte. Die ganze Zeit über versuchte er nicht daran
zu denken, was passieren mochte.
„Nun, wir beide haben
Ziele, nicht wahr?“ Svijas Hand fuhr über die steinige Wand. Glatt war sie und
kalt. „Und glaubst du nicht, dass wir kämpfen werden? Wenn wir auf Skopenvang
sind, werden wir es uns doch nicht nehmen, gegen Liv zu kämpfen.“ Svija
fröstelte. „Dabei hab ich es so satt.“
Linus schüttelte den
Kopf. „Wir tun nicht mehr, als wir tun müssen.“ Als wäre das nicht schon genug.
„Manchmal denke ich … manchmal denke ich, ich hab all dass … umsonst getan.
Vielleicht hab ich Mortis falsch verstanden, fürchte ich manchmal, vielleicht
hat er sich nur versprochen. Und selbst wenn nicht … woher soll ich schon
wissen, was er mir zu
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