Mondschwingen (German Edition)
den Sumpf,
kleine Bläschen protestierten gluckernd. Linus wollte sich losreißen, den
Sternenjäger stehen lassen, vielleicht lebte Mortis noch, vielleicht war er gar
nicht tot.
„Er ist tot“, wisperte der Fremde, er
schleppte Linus mit sich, der ihm wie eine Marionette hinterher stolperte. Die
wackelnden Schatten hinter den Bäumen waren nah, neue Pfeile sausten an ihnen
vorbei.
„Komm schon!“, zischte der Fremde, er
wollte schneller laufen, doch dann fiel Linus hin und blieb wie versteinert im
Dreck liegen. Alles war ihm nun egal, alles, alles!
„Es tut mir leid. Ich dachte, ich kann dich
retten. Ich dachte, du willst gerettet werden.“ Von hier unten verstand
Linus kaum ein Wort des Sternenjägers, der sich gleich darauf umwandte und
zwischen den Bäumen und dem Schilf verschwand, einfach so verschwand, während
Linus nur dalag und ein klein wenig weiteratmete. Vorbei, schoss es ihm durch
den Kopf und im selben Moment fanden die
Sternenjäger ihre Beute in der Dunkelheit.
SVIJA
und das neue Leben
Unter ihnen war der Wald und dahinter
lauerte der Tod. Mit großen Schritten rannten sie voran, über Bäume und Äste hinweg,
die im Wind nach ihnen tasteten.
„Irgendwo hier ist der Junge“, sagte Toiva
und blieb stehen. „Die Sternenjäger sind ganz nah. Wenn wir uns nicht beeilen,
ist es zu spät.“
Zu spät. Wie oft Svija das schon in den
letzten Tagen gehört hatte! Dabei interessierte sie der Junge nicht, er sollte
sich selber helfen, er hatte nichts mit ihr zu tun und so sollte das auch
bleiben. Hätte Svija gewusst, dass ihr Weg aus dem Sommerwald an der Fliegenden
Burg vorbeiführen würde, direkt in die Arme mordhungriger Sternenjäger, wäre
sie niemals mitgekommen. Hier draußen, in der kalten Welt, lebte es sich so
viel schwerer als im Sommerwald.
Toiva landete in einer der Baumkronen,
nicht weit entfernt von zittrigen, hellgelben Schemen. Es waren Baumgeister,
hatte ihr Toiva erklärt, die sie zu sich nach unten ziehen wollten. „Komm
herunter“, flüsterte sie aufgeregt. Sie reichte Svija ihre Hand und schaute
dabei hinab, suchte ganze Zeit nach dem Jungen, den Svija jetzt schon
hasste. „Irgendwo muss er sein, irgendwo.“
Leise kam Svija zwischen den Ästen auf, Schnee
rieselte hinab und brachte ihr einen zornigen Blick von Toiva ein. „Leise“,
fauchte sie „wir müssen leise sein.“
Die Stimmen und Schritte der Sternenjäger
im Wald unter ihnen wurden lauter, vereinzelte Lichter wackelten in der
Dunkelheit, Metall blitzte auf.
Toiva presste den Zeigefinger auf die
Lippen und zog ihr Schwert hervor. Sie lehnte sich weiter vor, um die Gestalten
in den dunklen Mänteln besser zu erkennen.
„Das ist nicht dein Ernst!“, keuchte Svija
und wollte die Königin zu sich zurückziehen, doch Toiva schüttelte nur den
Kopf, sie sah fast schon bedauernd aus.
„Du glaubst doch nicht, dass du überleben
wirst, wenn du da runter gehst!“ Svija war ehrlich empört, schließlich ging es
hier nicht nur um das Leben des Jungen, sondern auch um ihres.
„Wird schon, wird schon werden“, entgegnete
Toiva, sie war kurz davor abzuspringen, als die rauen Männerstimmen unter ihnen
lauter wurden.
„Das ist er.“ Jemand lachte leise und
steckte seine Waffe in den Boden. „Sieht fast so aus, als würde er schlafen. Da
hetzt er uns durch den halben Wald und dann das. Verfluchte Elster!“
Er beugte sich zu ihm herunter, gab ihm ein
paar Ohrfeigen und zog ihn aus der feuchten Mulde zwischen den Bäumen hervor.
„Er lebt jedenfalls noch – im Gegensatz zu seinem Vater.“
„Bring ihn um“, knurrte ein hochgewachsener
Krieger, seine Stimme und die Knappheit seiner Worte duldeten keine Widerrede.
Toiva schaute zu Svija zurück. „Kastja“,
sagte sie. „Es ist Kastja.“
„Er könnte uns noch hilfreich sein“, meinte
nun eine nächste Stimme. Der Mann trat an den Krieger heran, sein Gesicht war
kaum mehr als ein bleicher Schemen in dem Wirrwarr aus Ästen und
Finsternis.
„Was soll das?“ Kastja wandte sich ganz
langsam um. „Vorhin springst du dem Jungen hinterher und bekommst ihn nicht
einmal in die Hände und jetzt liegt er hier und du kriegst es nicht übers Herz
ihn umzubringen? Was soll das, Rubens, was ist bloß los mit dir?“
„Er
ist eine Junge, Kastja, fast noch ein Kind.“
„Und doch eine Mondschwinge!“ Der Mann
klang gereizt, er atmete hörbar, er wandte sich um und hob die Hand. „Töte den
Jungen!“, befahl er, mehr nicht.
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