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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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Tücher
über den Gassen, von einem Hausdach zum anderen gespannt, in allen Farben,
während die Wege von bunten Laternen erhellt wurden. Laut einer alten Erzählung
feierten einmal unzählige Menschen in den Straßen einer Stadt und sie feierten
so ausgelassen, dass niemand von ihnen die Elstern über ihren Köpfen sah. Jede
einzelne Elster hatte einen Dolch in der Hand und innerhalb eines einzigen
Wimpernschlages ließ jede Mondschwinge einen Dolch fallen. Nur sehr wenige
Menschen überlebten diesen Anschlag, die meisten lagen leblos in den Straßen
und pflasterten sie wie übergroße Steine. Seitdem spannten die Menschen Tücher
von Dach zu Dach, damit keine Elstern sie in den Gassen sahen.
    Rubens mochte die
Tücher, sie hüllten die Dunkelmondburg in wabernde, unwirkliche Schatten.
Kastja hatte gleich nach der glücklichen Nachricht den Mägden befohlen, alle
Decken und Tücher hervorzuholen und aufzuhängen, überall hatte es geklappert,
als Leitern und Hocker aufgestellt wurden.
    Es wurde gesungen und
gegrölt, die ersten Männer torkelten durch die Straßen, an Frauen vorbei, die
einen Knicks machten und dabei versehentlich viel zu viel zeigten.
    Innerhalb weniger
Augenblicke hatte sich die Dunkelmondburg zu einem rauschenden Maskenball
herausgeputzt. Kinder liefen aufgeregt durch die Massen, drängten auf den
Markplatz, wo sich Schweine an Spießen drehten und Wein ausgeschenkt wurde und
wo Kastja schon bald eine Rede halten würde. Der Sternenjägerkönig hatte bei
der frohen Botschaft nur genickt, er hatte auch gelächelt und gelacht, aber
dieses Nicken - dieses Nicken war selbst für Kastja zu routiniert. Er hatte
davon gewusst.
    Es ärgerte Rubens, dass
er ihm nichts erzählt hatte, das gestand er sich im Stillen ein. Jeder hat seine Geheimnisse , dachte er, und du selbst die größten .  
    Er bemerkte, wie ihm schwindlig
wurde, zwischen all den Menschen. Leiber drängten sich an ihm vorbei, schrille
Stimmen ertönten überall, die Gasse zerfloss zu einem wirren Bild, Farben
stürzten übereinander. Erst als Rubens das Loch im Bauch spürte, das Pochen im
Kopf, verstand er. Er hatte zu lang kein Mondlicht mehr getrunken, die letzten
Tage hatte er kaum Zeit dafür gehabt. Der Wein und das würzige Bier konnten
seinen Durst vielleicht für einen Moment stillen, aber nicht lange und nicht den Durst, den er doch zu stillen hatte.
    Er kehrte um und lief
gegen den Strom, ein Mann pöbelte ihn an und klopfte ihm kurz darauf wieder
entschuldigend auf die Schulter, als er erkannte, wem er da gerade begegnet
war.
    Erst als Rubens das
geöffnete Stadttor hinter sich ließ, fühlte er sich ein bisschen besser. Er
stürzte sich wie ein Flüchtender in die Gräser und ließ sich verschlucken vom
hungrigen Meer. Kaum war er weit genug fort, blieb er stehen und hob ab.
    Es tat gut, den Boden
hinter sich zu lassen und im Nichts zu schweben. Rubens öffnete den Mund und
schmeckte das Licht. Manchmal schmeckte es bitter, manchmal klebrig süß, aber
meistens einfach nur nach Licht , nach
Mondlicht.
    „Ich habe mir gedacht,
dass du hier bist.“ Eine Stimme erklang, nachdem Rubens eine Weile lang
getrunken hatte. Er war nicht besonders erschrocken, denn Thijs überraschte ihn
allzu gern.
    „Ihr wart lange weg.“
    „Natürlich waren wir
das. Wenn wir auf Jagd gehen, kommen wir so bald nicht wieder.“ Rubens seufzte,
öffnete die Augen und landete neben Thijs im Schnee.
    „Ich habe gehört, eure
Jagd war erfolglos. Selbst den Jungen habt ihr nicht bekommen.“ Mit
hochgezogenen Schultern stand Thijs da und wirkte dadurch noch ein bisschen
größer. Seine blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht.
    „Sei nicht so
spöttisch.“ Rubens guckte griesgrämig drein, doch ein kleines Lächeln konnte er
sich nicht verkneifen. Er war froh Thijs wiederzusehen, er war wie ein kleiner
Bruder für ihn, dem er alles anvertrauen konnte, sogar sein allergrößtes
Geheimnis. Seit zwei Jahren wusste der Junge davon - er war Rubens im Wald
begegnet. Seitdem begegneten sie sich immer wieder fernab der Tore der
Dunkelmondburg, während Kastja von nichts wusste.
    „Ich habe von Gwaedja
gehört“, murmelte Rubens. „Ich wusste nicht viel, du hast sie mir nur einmal
beschrieben, aber gewusst habe ich nichts von ihr. Auch nicht, dass sie eine
Mondschwinge ist.“ Seinen unterschwelligen Zorn darüber konnte er nicht
unterdrücken. Er hatte gedacht, dass der Junge ihm genauso vertraute wie er
ihm. „Du bist ein Zerrissener. Du bist ein

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