Mondschwingen (German Edition)
waren, verknotet
und aneinandergenäht. Es war heiß und dampfig darunter, es roch nach Schweiß
und Braten und süßem Parfüm.
Die gelben Laternen
hüllten die Menschen in seltsam unwirkliches Licht.
„Niemand weiß genau, was
das Verschwinden eines Mondes bedeutet. Und wer dafür verantwortlich ist. Und
welche Konsequenzen es mit sich ziehen wird.“ Kastja schmatzte genüsslich; er
war angetrunken, das hörte man an seiner Stimme. „Aber natürlich weiß ich es
umso besser.“ Er lachte laut und Rubens hasste ihn dafür.
„Ich weiß es seit ein
paar Wochen schon.“ Als er die Stimme senkte, verstummte jäh das Geplapper in
der Menge. „Ich habe lange auf diesen Tag gewartet und nun weiß ich, dass sie
mich nicht angelogen hat. Liv“, sagte er leise, „Liv hat es getan. Wer sonst,
außer mir vielleicht, sollte einen Mond verschwinden lassen? Unsere ehrenwerte
Königin hat es tatsächlich geschafft!“ Nun klatschten alle in die Hände, nur
Rubens, Rubens stand inmitten der wogenden Menge und war, wie so oft in den
letzten Tagen, überrumpelt.
„Wie ihr wohl alle
wisst, gibt es nur noch wenige Magier in Malvö. Tatsächlich haben die meisten
gedacht, dass sie bereits ausgestorben wären. Aber eine Handvoll, eine einzige
Handvoll Magier hat überlebt.“ Das alles klang so unwirklich, dass es Rubens
schwer fiel, dem Anführer zu glauben.
„Liv machte den Magiern ein
Angebot, das sie nicht ausschlagen konnten. Wenn sie einen Mond nach dem
anderen verschwinden lassen würden, dürften sie mit ihr zusammen regieren. Sie
wären mehr als ihre Berater und Diener, sie würden Herrscher wie Liv und ich. Alles,
was sie dafür tun müssten, wäre einen Mond nach dem anderen auszulöschen. Mond
für Mond, bis alle Elstern verdursten.“ Kastja genoss den Jubel um sich herum,
die Schreie und die gereckten Arme.
„Endlich werden wir
unseren Feind ein für allemal besiegen. Denn bald, schon bald, wenn der letzte
Mond verschwunden ist, werden unsere Feinde elendig verdursten, jawohl,
verdursten werden sie!“ Er stachelte die Menge weiter an, die seine Worte
wiederholten, trunken vor Freude und vor Wein.
Und Rubens – Rubens
rührte sie noch immer nicht. Mond für Mond für Mond …
Seine Beine waren
schwer, ihm schwindelte – Mond für Mond für Mond … Im nächsten Moment schlug er
die Augen auf und starrte in gelbbeschienene Gesichter. Ein Mann gab ihm links
und rechts eine Ohrfeige und half ihm auf, obwohl er noch immer wacklig auf den
Beinen war.
„Umgekippt vor Freude!“, röhrte Kastja und kam
auf Rubens zu. Eine üppige Frau klebte an seiner Seite und legte kichernd ihren
Kopf auf seine Schulter.
„Darf ich vorstellen“, sagte Kastja und
deutete auf die Dame neben sich. „Das ist Anabelle, mein süßes Zuckerpüppchen.“
Zuckerpüppchen verbeugte sich unsicher und fing an zu lachen.
„Mir ist nicht gut“, stieß
Rubens hervor und machte kehrt. Die Leute stoben zur Seite, weil Kastja und
Zuckerpüppchen ihn begleiteten. Hände griffen nach dem Anführer, wie nach einem
lebendig gewordenen Gott.
„Ich habe mir überlegt,
ob ich dir es erzählen soll“, gab Kastja zu und holte ihn ein. „Liv hat mich
von ihrem Vorhaben unterrichtet, als die Magier bei ihr erschienen sind.“ Sie
verließen den Marktplatz und gingen in ein schmales Gässchen.
Rubens lehnte sich an
eine Hauswand und wischte sich über die eiskalte Stirn. „Warum sollte man mir
auch etwas anvertrauen?“ Er sah Kastja nicht an, während er sprach. „Wozu bin
ich dein Verbündeter, wenn du mir nie etwas erzählst? Warum bin ich dein
Verbündeter, wenn du mir nicht einmal von dein größten Geheimnis verrätst?“
Rubens fühlte sich selbst ein bisschen betrunken, obwohl er nichts angerührt
hatte. Es war wohl der ganze verfluchte Tag, der ihn den Verstand verlieren
ließ.
Kastja wirbelte herum,
packte ihn am Kragen und drückte ihn unsanft gegen die Wand. „Wenn du nicht
leise bist, Rubens, mach ich dich leise, das verspreche ich dir. Verbündeter
hin oder her. Irgendwann ist auch bei mir die Geduld am Ende.“ Er schaute zu
Zuckerpüppchen zurück und zeigte zum Marktplatz. „Geh, Anabelle, ich kann dich
jetzt nicht gebrauchen!“
Zuckerpüppchen verbeugte
sich höhnisch und stolperte davon. Ihr Kleid wischte wie ein schmutziger Besen
die Straße entlang.
„Was ist bloß los mit
dir, Rubens?“
„Was ist mit dir los? Ich verstehe dich nicht mehr,
du bist nicht der, den ich kenne! Gestern sagst du mir, dass du
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