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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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rasch in ihre Klamotten.
      „In einer Viertelstunde sollen sie im
Thronsaal sein. Wenn sie zu spät kommen, sind sie die längste Zeit Hohe Berater
gewesen, sagt das so zu ihnen, verstanden? Und weckt sie nicht zu sanft auf.“
    Sie machte kehrt, zog
sich Schuhe und Mantel an und lief mit großen Schritten durch die
mondschwingenleeren Gänge. Sie mochte es, so spät die Burg zu durchstreifen,
wenn ihr es schien, als sei sie die Einzige weit und breit. Vereinzelte Fackeln
leuchteten auf den Höfen, tanzende Schneepünktchen verloren sich in den Flammen
und wurden verschluckt. Es hatte schon lang keine Beratung mehr gegeben, nun
war der richtige Moment dafür.
    Toiva riss die Türen zum
Thronsaal auf, kam von der steinernen Tafel zum Stehen und setzte sich in einen
Sessel am Kopfende des Tisches. Es war der einzige Stuhl im Thronsaal, der
gemütlich war.
    Die ersten Berater kamen
herein, mit ungeordneten Haaren und Kissenfalten im Gesicht. Toiva liebte
diesen Anblick so sehr, dass sie sich grundsätzlich nur nachts beraten ließ.
    Sie erhob sich, obwohl
noch längst nicht alle Berater gekommen waren und faltete die Hände auf dem
Bauch.
    „Hättet Ihr noch ein
wenig länger gebraucht, hätte ich mir neue Berater gesucht.“ Das sollte als
Begrüßung genügen. „Sicherlich ist gestern Abend etwas Schreckliches geschehen,
ein Mond ist verschwunden und niemand weiß von uns genau, warum. Und doch habe
ich den Hohen Rat nicht deswegen einberufen. Mich bedrückt etwas Anderes, etwas Wichtigeres .“ Die Protestwelle schlug
ihr sofort entgegen, wie Toiva es schon erwartet hatte.
    „Nichts ist wichtiger
als das Verschwinden des Mondes. Des ersten Mondes, möchte ich behaupten, denn
ich zweifle nicht daran, dass auch weitere verloren gehen.“ Hironimus, ein
kleiner Wicht von Mann, stand auf und klopfte sich auf die Brust. „Wie könnt
Ihr da meinen, dass es etwas Wichtigeres gibt?“
    „Was nutzt es uns über
das Verschwinden des Mondes zu diskutieren? Das bringt niemanden von uns
weiter, auch nicht die Schlauesten.“ Toiva klang harsch, am liebsten hätte sie
Dolche gezückt, um jedem einzelnen wichtigtuerischen Adligen Vernunft
einzuritzen.
    „Wir werden womöglich
sterben. Nicht nur die Menschen hassen uns, auch die Natur. Das ist bitter und
hart, aber die Wahrheit. Nicht mehr lange, da bin ich sicher, und wir werden
tot sein. Denn ohne Monde, werden wir nichts trinken können, einmal vom Fliegen
abgesehen. Wasser allein kann uns nicht am Leben halten. Wir brauchen
Mondlicht, um überleben zu können und ein ganzes Viertel ist uns davon schon
abhanden gekommen.“
    „Jaja, sehr schön.“
Toiva wimmelte ihn ab, wedelte mit der Hand, als wolle sie Warsans Gesicht aus
der Dunkelheit wegwischen. „Aber bringt uns das weiter? Das Einzige, was mir
das Mondverschwinden aufgezeigt hat, ist, dass ich mich zu beeilen habe. Mehr
nicht.“ Sie hoffte spätestens jetzt auf Aufmerksamkeit, aber die Berater
schüttelten wieder den Kopf, öffneten schon den geschwätzigen Mund, um sie
weiter zu belästigen.
    Toiva gab ihnen wiederum
keinerlei Gelegenheit Monologe zu führen. „Ich will nach Skopenvang segeln. Mit
allen Schiffen, die wir haben. Mit allen Kriegern. Ich will einen letzten
Krieg, einen allesentscheidenden, der uns zeigt, ob wir tatsächlich noch
gewinnen können, ob wir eine Zukunft haben … wenn unser Schicksal es zulässt.“
    Es brauchte ein
Weilchen, bis die Berater ihre eigenen Worte vergaßen und die der Königin
verstanden. Schiffe, Krieger, Krieg … das hatten sie schon lange nicht mehr
gehört, es fühlte sich an wie ein vergessener, uralter Geschmack auf der
eingeschlafenen Zunge.
    „Das … also …“ Marlin
war der Erste, der zu stammeln begann, es war ein Koloss von Mann, sein Kopf
war so groß wie ein Kürbis. „Wir haben schon seit über fünf Jahren nicht mehr
gekämpft. Wir waren doch der Meinung, dass es besser wäre uns zu verstecken und
zu spionieren um unsere Feinde im Auge zu behalten.“
    „Was wir nicht alles
wollten. Und was sich nicht alles als falsch herausgestellt hat.“ Gelangweilt
saß Toiva da und zupfte an ihrem Ärmel. „Irgendwann einmal muss man sich entwickeln, denke ich. Irgendwann einmal muss man aus
seinem Loch kriechen, ob man will oder nicht.“
    Ardaster machte eine
säuerliche Miene. „Es tut uns gut, feige zu sein. Was sollen wir aus unserem
Loch hinaus, wenn wir auch so überleben können? Niemand außer Euch will
kämpfen, selbst nicht die Krieger und

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