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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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an, als
sich die Wüter erneut in Bewegung setzten, viel lauter diesmal. Man hörte ihre
Hufe, ihr Brüllen zerfetzte die Stille. Niemand hatte mehr Zeit zu denken. Die
Finsternis stürzte auf sie ein.
    Und doch packten Linus
und Svija das zerbrechliche weiße Mädchen und sprangen auf, ruderten mit den
Beinen und wollten weiter hinauf.
    Einen Atemzug später
durchzuckte Linus stechender Schmerz. Ein Wüter war zu ihm heraufgesprungen,
sein Zahn hatte sich in seine Seite gebohrt.
    „Weiter“, schrie Svija,
wie von Sinnen.
    Linus guckte hinab, zu
dem Meer aus Augen, dem brüllenden Inferno unter ihren wackelnden Füßen. Ihm
wurde schwindelig, der stechende Schmerz pochte. Er konnte Amber nicht mehr
lange tragen, das wusste er. Das Brüllen der Wüter wurde leiser, doch langsamer
wurden Svija und Linus dennoch nicht. Irgendwann begann sich Amber zu regen, sie
stieß Laute hervor und schüttelte sich. „Es tut mir so leid.“
    „Zu Recht. Du bist so
dumm, Amber, so dumm. Und ich bin so froh, dass du noch lebst.“
    Der tiefschwarze Wald
unter Linus drehte sich unaufhörlich. „Ich kann nicht mehr“, flüsterte er. Er
ließ langsam Amber los und ließ sich sinken, zum Wald hinab.
    Die Nacht unter ihm zerfloss
zu schwarzem Nichts.
                                                  
    Als er die Augen öffnete,
sah er nur Nebel. Dicken, grauen Nebel, überall wohin er schaute.
    „Du bist wach“,
flüsterte eine Stimme, nicht weit von ihm entfernt. Er sah ein Gesicht, bleich war es und groß.
    „Noch ist er also nicht
tot“, raunte ein Gesicht daneben.
    „Wir sollten runter. Er
braucht Hilfe, oder Kräuter oder irgendetwas ...“ Das Gesicht klang besorgt.
    „Wir können nicht nach unten – uns folgen
immer noch ein paar Wüter. Ich bin mir ganz sicher, dass sie es sind.“ Das
Gesicht hielt inne. „Wenn wir jetzt runterfliegen, Svija, war alles umsonst.
Die ganze Flucht.“
    „Ob einer von uns stirbt oder wir alle drei
... das macht doch keinen Unterschied mehr.“ Nun sah man nicht nur Sorge im
Gesicht der Bleichen, sondern auch ein bisschen Trauer.
    „Wie lange wollen wir denn hier noch
warten? Bis wir Wurzeln schlagen? Bis er stirbt?“
    „Nur noch ein wenig. Es sind nicht mehr
viele Wüter und sie geben sicherlich bald auf. Du weißt doch, wie sehr sie
Licht hassen. Nicht mehr lange und es wird hell, Svija.“
    Lange herrschte Stille. Lange sagte keines
der beiden Gesichter ein Wort.
    Dann aber seufzte das Bleiche und strich
Linus über die Stirn. „Nicht mehr lange, nicht mehr lange werde ich warten.“
    Plötzlich erhoben sich die beiden
Gesichter. Das Bleiche und das Weiße, wie zwei Monde in der Dunkelheit. Die
Wolke, auf der Linus lag, bewegte sich. Sie war immer noch ganz warm. Am
liebsten wäre er hier eine Ewigkeit geblieben und hätte zu den Mondgesichtern
hochgeschaut. Der Nebel, der sie umgab, rauschte nur so an ihnen vorüber. Fast
glaubte Linus, ihn zu spüren. Weich war er. Und kalt.
    Und dann kam auf einmal das Licht. Langsam
nur tastete es sich heran. Es schmeckte nach Morgen.
    „Es ist soweit“, flüsterte der bleiche Mond
zum weißen.
    Wieder bewegte sich die Wolke, sank
irgendwo nach unten, wo kein Nebel und kein Licht mehr war, sondern Arme.
Überall braune Arme, die nach dem Himmel griffen. Geräusche ertönten, sehr
leise waren sie.
    „Feinde!“, stieß der weiße Mond hervor.
    Und plötzlich war die Luft erfüllt von
Pfeilen.

RUBENS
    und der verlorene Respekt

 
 
    Rubens hasste es. Hasste alles hier.
    Das Knarren des Schiffes, die kalte Seeluft
und das stetige Wippen auf den Wellen, auf und ab und auf und ab.
    Das letzte Mal, dass er auf dem Meer
gewesen war, schien Ewigkeiten zurückzuliegen. Er war zehn Winter alt gewesen
und er erinnerte sich noch, wie sehr er jene Stunden zwischen den schaukelnden
Wellen und der sprühenden Gischt verabscheut hatte.
    Die Krieger schwirrten hin und her, die
Schiffe summten vor Betriebsamkeit, nur Rubens stand allein am Bug und kämpfte
gegen seine Übelkeit. Die Schiffe der Feinde waren am Horizont zu sehen, helle
Lichter hüpften auf den Wellen. Sie mussten aufbrechen, ganz schnell, ansonsten
würde die Jagd nur eine Jagd bleiben.
    Tatsächlich spürte er Blutdurst, ein klein
wenig. Er wollte kämpfen, denn eigentlich waren sie doch seine Feinde, dort
drüben in der Dunkelheit. Und gleichzeitig fürchtete er sich davor, vor Jagd
und Kampf und Krieg und all den blutigen Dingen, im Angesicht

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