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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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hätte ihr sagen können, dass sie nicht mit ihm
kommen müsste, dass er allein gehen konnte, all das, aber nichts davon wagte er
davon zu sagen. Die Angst war zu groß.
    „Ich
werde die Magier bitten, den Sommerwald zurückzuholen“, raunte Svija. Ihr war
klar, wie albern das war, sie würden sicher bald schon sterben, verdursten
würden sie, selbst der Sommerwald könnte sie nicht retten. Sie weinte nur noch
mehr.
    Erst jetzt erkannte Linus, wie
hoffnungslos, wie sinnlos alles war. Er würde sterben, in ein paar Tagen, wenn
es schlecht lief und erst jetzt verstand er es, erst jetzt drang die Wahrheit
mit Faustschlägen auf ihn ein. Er musste sterben, der Tod rückte näher. Die
Furcht schnitt ihm die Luft ab.
    Sie wünschten sich lautlos eine gute Nacht,
aber an Schlaf dachten sie beide nicht.
    Die Angst lauerte wie ein fettes Tier in
der rabenschwarzen Nacht, die Angst vor allem, vor ihrem Weg, vor dem, was
dabei geschehen würde, vor dem Ende, vor allem.
    Das dumpfe Fauchen und Ambers Schritte
hörten sie erst sehr spät. Zu spät, viel zu spät, dachte Svija noch oftmals
danach.
    Amber platzte zwischen den Bäumen hervor,
strauchelte und fiel hin. „Rettet mich“, flüsterte sie, ihre Hand tastete sich
zu Svijas Arm, Blut klebte an ihren Fingern. „Rettet mich und rennt.“
    Noch einmal ertönte das Fauchen, gar nicht
weit entfernt. Es war, als vibrierte die Erde, ganz leicht nur.
    „Was ist los? Was ist das?“ Svija sprang
auf.
    „Wüter“, presste Amber hervor „Es sind
Krallwüter.“
    Svija zog das weißhaarige Mädchen zu sich
herauf, packte sie am rechten Arm, Linus am linken. „Flieg“, schrie sie oder er
oder beide, der Wald pulsierte. Sie rannten los, Amber zwischen sich, ihre
Haare glänzten in der Nacht.
    Sie hoben nicht vom Boden ab, sie bahnten
sich schwerfällig einen Weg durch den Schnee. Und erst jetzt sah Linus kleine
rote Flecken in all dem Weiß. Überall waren Blutspuren hinter ihnen, die Wüter
rochen ihre Beute, sie waren nicht mehr fern.
    Amber war viel zu schwer. Linus wollte
fliegen, fort vom Boden, fort von den Wütern … Warum hatte sie hierher gehen
müssen, mit all ihrem Blut?
      „Flieg
verdammt, flieg schon, Amber, lass uns nicht sterben!“
    Ambers Knie knickten ein, sie landete mit
dem Gesicht im Schnee. Fast wäre Linus weitergerannt, geflogen wäre er, ohne
sich ein einziges Mal umzudrehen. Svija hielt ihn fest, sah ihn mit großen
Augen an. So viel konnte man darin sehen, in diesen wenigen Momenten. So viel
Angst.
    „Es ist vorbei“, flüsterte sie.
    Die Wüter kamen von allen Seiten. Ihre
langen Stoßzähne blitzten im Licht auf, sie waren spitz, an manchen klebte
trockenes Blut. Immer deutlicher waren sie zu sehen, ihre Mähne, ihr Geweih
zwischen den Ohren, die funkelnden roten Augen, ihr massiger Körper.
    Langsam kamen sie herangeschlichen, die
Köpfe geduckt, als seien sie es, die sich fürchteten. Ihre Augen tanzten in der
Nacht, schmale Striche in der Schwärze.
    Krallwüter liebten Angst, mehr als alles
andere. Eine Sage, die Mortis Linus oft erzählt hatte, handelte von den Wütern,
wie sie sich an die Todgeweihten anschlichen und die Furcht tranken, bis von
ihnen nichts anderes übrig blieb als eine leere Hülle. Und noch eines hatte der
Geschichtenerzähler seinem Sohn gesagt: Kein einziges ihrer Opfer überlebte.
Sie alle sahen ein letztes Mal in rote Augen.
    Ganz plötzlich spürte Linus, wie Svija nach
seiner Hand Griff. „Flieg. Ich bleib bei Amber. Aber flieg.“
    Linus hätte gerne geantwortet, irgendwas
gesagt. Wie Svija nur so ruhig klingen konnte …
    Kurz drückte sie seine Hand und ließ sie
los. „Gute Reise, Linus.“
    Er schaute sie an, schüttelte den Kopf, die
roten Augen rückten näher.
    „Geh, nun geh endlich.“
    Amber richtete sich vorsichtig auf, ihr
Gesicht war schneeweiß. „Entschuldigung.“
    Dafür war es zu spät, verdammt!
    Die Wüter blieben
stehen, viele Schritt entfernt, noch immer halb verdeckt von Stämmen und
Unterholz. Ihr Schnauben drang zu ihnen, manchen tropfte der Speichel aus dem
Mund. Sie hatten Hunger. Die Nacht war erdrückender denn je. Vorbei, alles
vorbei.
    Plötzlich war es still.
Der Tod schaute zu ihnen hinab. Der Wald hielt die Luft an.
    Svija wandte mühevoll
den Blick ab, ihre Augen waren gläsern. Sie ruckte zu Linus herum und gab ihm
einen Kuss auf den Mund. Ganz kurz nur, ganz kalt. Sie weinte.
    Dann brach die Welt in
sich zusammen und begann vor Schmerzen zu brüllen.
    So hörte es sich

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