Mondschwingen (German Edition)
mit den Freunden,
im Rücken die Feinde. Nun, da Kastja nicht mehr in seiner Nähe war, konnte er
das zwiespältige Gefühl kaum mehr unterdrücken und er wollte es auch nicht,
nicht mehr. Er hätte genügend Zeit sich zu entscheiden.
Einige Schiffsjungen, die auf der
Dunkelmondburg gelebt hatten, gaben Anweisungen. Wie kleine Könige liefen sie
umher, halfen den Kriegern, zurrten und zerrten, die Anker wurden
heraufgezogen, die Segel blähten sich im Wind.
Langsam krochen die Schiffe aus den
Grotten. Kein Licht brannte auf den Schiffen, kein einziges. Es war
leichtsinnig von den Feinden, dass sie nicht auch in völliger Dunkelheit
segelten, sie mussten doch wissen, dass es genug Spione in Malvö gab, die die
Schiffe sichteten. Womöglich waren sie so größenwahnsinnig, dass sie annahmen,
gegen jeden ihrer Feinde zu siegen. Närrisches Pack.
Rubens kletterte ein paar Taue hinauf und
schaute zu seinen Kriegern hinab. Er hasste Ansprachen und Reden, feurig
sollten sie zumeist sein.
„Schon lange haben wir keine Elstern mehr
zwischen die Finger bekommen!“ Ruckartig richteten sich etliche Augenpaare auf
ihn. Es war seltsam, hier zu stehen, wie ein Anführer. „Wir mussten lange
warten, lange waren wir geduldig, nur wenige Male durften wir kämpfen, doch
jetzt, hier, geht unsere Bestimmung in Erfüllung. Unseren Feinden den Garaus zu
machen, ihnen den gefiederten Kopf abzuschneiden!“ Wie er sich anhörte. Fast
ein bisschen wie Kastja. Genauso fürchterlich.
„Mit vereinter Kraft werden wir kämpfen,
alle zusammen, Schwert für Schwert rücken wir unseren Feinden entgegen. Nach
Gnade werden sie winseln, auf Knien werden sie sitzen und beten, uns anflehen,
sie zu verschonen. Aber wir“, sagte er jetzt leiser „wir werden gnadenlos
sein.“ Er riss den Arm in die Luft, verhaltener Applaus folgte. Rubens dankte
der Nacht, dass sie seinen roten Kopf verbarg. Wie beschämend sein Auftritt
war!
Er wünschte sich Kastja herbei, er sollte
ihm helfen. Gleichzeitig hasste er sich für diesen Gedanken.
„Spiel dich nicht wie unser Anführer auf!“,
rief eine tiefe Stimme. Rubens kannte sie, hatte sie ein paar Mal gehört. Sein
Blick hetzte von links nach rechts und suchte das Gesichtermeer nach dem
Stimmenträger ab.
„Kann sein, dass Kastja etwas an dir
findet, warum auch immer. Wahrscheinlich weil du ein Schleimer bist, sagst ihm
das, was er hören mag. Wir dagegen hassen dich, wir alle. Glaub bloß nicht,
dass wir dich genauso vergöttern, wie es Kastja tut.“
Rubens hätte sich am liebsten verkrochen.
Er gehörte nicht hierher, hier oben zwischen die Taue und den wispernden
Segeln. Er hatte gewusst, dass das alles nur schiefgehen konnte.
„Komm raus und zeig dich, du Feigling.“ Er
war selbst überrascht, wie beherrscht er klang.
„Ich bin kein Feigling.“ Der Stimmenträger
trat hervor, gar nicht weit von Rubens entfernt. Es war Glodon, der dort unter
ihm stand. Er war groß und breit und kräftig. Rubens schluckte.
„Du behauptest also, besser als ich zu
sein. Warum nur, frage ich mich, vertraut mir Kastja mehr als dir? Weil ich ein
Schleimer bin? Seltsam, man könnte meinen, du unterstellst unserem König, er
sei dumm genug, um einem Schmeichler zu vertrauen. Willst du Kastja beleidigen
oder was hast du vor, Glodon?“
Glodon spuckte auf den Boden. „Verfluchter Mistkerl.“
Rubens kniff die Lippen zusammen. Das
schnelle, laute Pochen seines Herzens ließ ich zwischen den Tauen erzittern. Er
stieg hinab und landete auf dem Schiffsboden. Glodon sah ihn ungerührt an.
„Du glaubst also, du bist stark genug, um
deinen Anführer und deinen König beleidigen zu können. Ich meine, das bist du
nicht. Du bist respektlos, mehr nicht.“ Er kam näher an den Mann heran. Von
hier unten sah er bei weitem nicht mehr so bedrohlich aus, obwohl er Rubens um
einen Kopf überragte.
„Du weißt, was man gemeinhin mit
respektlosen Menschen tut?“ Glodon hatte keine Zeit mehr zu antworten. Sein
Kopf rollte schlingernd der Menge entgegen.
„Jeder, der glaubt, mich und meinen König
beleidigen zu dürfen, wird Glodon folgen!“ Diesmal was das Zittern in Rubens‘
Stimme nicht mehr zu überhören. „Und nun schafft ihn weg.“
Zwei kräftige Sternenjäger packten Glodon
am Umhang und warfen ihn über die Reling. Einen Augenblick später folgte sein
Kopf.
Schäumend legten sich die Wellen über ihn,
wie dunkle, große Arme, die ihn in die Tiefe zogen.
Flüsternd wehte der Wind über das Meer,
ließ die
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