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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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dennoch
gibt es da noch die Burg, die große, dunkle Burg. Wie sollen wir da rein
kommen, einfach so? Wo sollen wir nach Gwaedja suchen?“ Sie hatte schnell
geredet, die Wut tat ihr gut. Sie verdrängte heimlich ein Stück von ihrer
Trauer.
    Kaum legte sich ihr Zorn, bereute sie ihre
Worte. Dass sie diese Reise schon wieder in Frage stellte, nach allem, was
geschehen war. „Es tut mir leid.“ Vier Worte, nicht mehr als vier Worte.
    Amber fasste sie nach einer Weile an der
Hand und zog sie hinauf. „Dann lass uns aufbrechen!“, sagte sie leise. „Die
Narren sollen staunen.“
      „Ja“, wisperte Svija und lächelte „lassen wir
sie staunen!“
                                                  
    Sie näherten sich den Lichtern mit jedem
Schritt. Die Dunkelmondburg war nicht mehr fern, groß und dunkel thronte sie
hinter dem rotschimmernden Gras.
      „Wir
beobachten die Wächter, in welchem Rhythmus sie ihren Gang machen. Vielleicht
entdecken wir eine Lücke und wir fliegen an ihnen vorbei.“ Amber schaute starr
nach vorn, die Nase in die Höhe gereckt, doch ihre Stimme verriet ihre Angst.
„Wir laufen durch die Straßen und lassen uns nichts anmerken.“
    Ihr Plan war kein Plan, das wussten sie
beide. Er war höchstens zum Scheitern verdammt.
    Schritt für Schritt schälten sich die Burg
aus der Nacht: die Konturen, die Lichter hinter den Fenstern, die Schatten
hinter den Zinnen, die Türme, die drohend in den Himmel zeigten.   
    Das war sie also. Die Dunkelmondburg. In
den Büchern wurde geschrieben, dass sie mächtig und schwarz war, dass das Tor
wie das Maul einer Bestie aussah und die Wächter wie Barbaren. Stattdessen
unterschied sich die Burg von keiner anderen, hatte Steinmauern und Zinnen und
flatternde Fahnen auf den Turmspitzen. Hätte Svija nicht gewusst, wer hinter
den Mauern lebte, hätte sie sich vielleicht gefreut. Auf ein warmes Bett, auf
Wein und duftende Speisen.
      „Bleib
stehen.“ Ambers Finger krallten sich in Svijas Arm, ihre Nägel gruben sich in
ihren Ärmel. Mit großen Augen fixierte sie die Dunkelheit.
    Etwas stimmte nicht. Svija folgte ihrem
Blick, sah zuerst nichts anderes als Gras und rote Irrlichter. Dann aber sah
sie Schatten in der rotgepunkteten Finsternis. Sie wuchsen aus dem Boden, am
Anfang schwebten nur Köpfe über dem Schnee, dann kamen die Schultern, Arme
tasteten sich hinaus und einen Augenblick später standen sie da, mit
Oberkörper, Beinen und gestiefelten Füßen.
    Amber ließ sich zu Boden fallen und zog
Svija zu sich herab. Sie presste die Lippen aufeinander und hielt den Atem an.
Gedämpfte Schritte ertönten im Gras, kamen näher, Schritt für Schritt.
    Die zwei Gestalten mussten Dämonen sein, ansonsten
wären sie nicht so einfach aus dem Boden gewachsen. Sie waren Geister, die nach
Blut und Tod dürsteten und nach ihren nächsten Opfern suchten.
    Das Gras bewegte sich im Wind, strich Svija
über das Gesicht.
    Und plötzlich war es still. Die Schritte
waren verstummt.
    „Wir haben euch gesehen.“ Eine kratzende
Stimme, sie klang schadenfroh. Und sie galt ihnen.
    Von beiden Seiten schimmerten ihnen
silberne, lange Schwerter entgegen.
    „Ich hab doch gesagt, dass ich jemanden
gesehen hab“, knurrte der linke Schwertträger. Svija lugte vorsichtig hinauf,
als hoffte sie noch immer, unentdeckt zu sein. Es waren keine Dämonen, auch
keine Geister, ihre Gesichter waren menschlich.
    „Du hast gesagt, es seien gefährliche
Jäger. Schau sie dir doch an, Tunk, das sind Mädchen mehr nicht, verängstigte
noch dazu.“ Der andere Mann sah beinahe schon harmlos aus, sein Schwert bewegte
sich von Svija fort. „Lassen wir sie gehen.“
    Der andere schüttelte jetzt den Kopf. „Sie
haben unsere Luke gesehen, sie wissen, wo unser Versteck ist, sie könnten uns
verpfeifen.“ Sein Schwert kreiste über Ambers Kopf, sie schaute noch immer
nicht auf. „Wir müssen sie Thijs bringen.“
    Tunk lachte. „Du machst dir die Hosen voll
wegen zwei ängstlichen, kleinen Mädchen, Wig!“
    „Darum geht es nicht. Thijs will jeden
sehen, dem wir in der Nähe der Luke begegnen.“ Die Schwertspitze streifte
Ambers Kragen. „Steht auf, alle beide.“
    Was, wenn sie sich nicht bewegen würden?
    Svija ließ es nicht darauf ankommen. Sie
stand auf, blickte unverwandt auf die aufblitzenden Waffen. Der Kräftigere
packte sie am Arm und schleifte sie nach vorn, dorthin, woher sie gekommen
waren.

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