MondSilberLicht
verursachte ein Kribbeln in meinem Nacken. Alle guten Vorsätze, ihn zu ignorieren, gingen über Bord. Der Klang seiner Stimme stimmte mal wieder ganz und gar nicht. Ich musste zu ihm aufblicken, als ich mich umdrehte, um ihn anzuschauen. Und richtig, seine Augen waren ganz hell und trotzdem schaffte er es, mich finster anzusehen.
„Was dagegen?“
Er blickte mich stumm und viel zu intensiv an und ich merkte, dass meine Beine sich in Pudding verwandelten, dann drehte er sich um und ging. Ich ließ mich gegen die Wand plumpsen.
Was bildete er sich eigentlich ein, dachte ich wütend, nachdem ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Wahrscheinlich war er sauer, weil ich besser schwamm als seine Valerie. Blöder Idiot. Aufgebracht ging ich zu meinem nächsten Kurs.
5. Kapitel
Am folgenden Dienstagnachmittag machte ich mich nach der Schule auf den Weg in die Stadt. Es war warm und ich freute mich, Sophie wiederzusehen. Das Haus war oft zu laut, um in Ruhe zu lesen oder nachzudenken.
Ich brauchte dringend etwas Neues zum Lesen. Mir war nach etwas Romantischem und ich wusste, dass ich bei Sophie fündig werden würde. Glücklicherweise hatte ich den Buchladen kurz nach meiner Ankunft entdeckt, sonst hätte ich ein Riesenproblem gehabt. Sophies Laden war eine Goldgrube.
Als ich den Laden unter dem leisen Klingeln des Glöckchens betrat, verzauberte er mich wie beim ersten Mal. Das war kein Geschäft, das war ein kleines Wunder. Das Licht war schummrig und außer mir war niemand zu sehen.
Ich schloss die mit feinen weißen Ornamenten verzierte Glastür. Es roch nach altem Papier und eindeutig nach frisch aufgebrühtem, schwarzem Tee. Da klimperte es und Sophie trat hinter einem Vorhang aus hunderten bunten Glasperlenschnüren hervor.
„Emma“, rief sie und es war deutlich die Freude in ihrer Stimme hören. „Wie schön, dass du gekommen bist.“
„Komm.“ Sie zog mich tiefer in den Laden hinein. „Sieh dich schon mal um. Ich habe gerade Tee gemacht, er muss nur kurz ziehen. Ihr Kinder habt schrecklich lange Schule heutzutage, da brauchst du eine Stärkung.“
Sie schüttelte ihren Kopf und verschwand hinter dem klimpernden Vorhang. Ich lächelte und die Anstrengung des Tages fiel von mir ab.
Die Regale zeigten keinerlei Systematik. Die Bücher waren weder nach Autoren noch nach Sachgebieten sortiert. Uralte Lederrücken schauten zwischen funkelnagelneuen Büchern hervor. Neugierig zog ich eins der alten Bücher heraus. Robinson Crusoe stand direkt neben einem französischen Kochbuch. Es war eins meiner Lieblingsbücher gewesen, als ich klein war. Ich blätterte darin herum und bestaunte die alten Zeichnungen. Dann stellte ich es an dieselbe Stelle zurück, obwohl das eigentlich keine Rolle spielte.
Überall an den Regalen waren Leselampen angebracht, die die Gänge in ein warmes Licht tauchten. Immer mehr Schätze kamen zum Vorschein. Ich entdeckte Moby Dick neben Der Fürst von Machiavelli. Eine neuere Ausgabe von Stolz und Vorurteil stand neben Caesars Gallischem Krieg in Latein. Virginia Woolfs Mrs. Dalloway, ein Lieblingsbuch meiner Mutter, lag begraben unter einem Stapel von National Geographics. Ich zog es hervor und wischte über den Einband. Es versetzte mir einen Stich, wenn ich an meine Mom dachte. War ihr Tod erst gute zehn Wochen her? Versonnen schlenderte ich weiter. Ein ganzes Regal war für unzählige Shakespeare-Werke reserviert. Es war das einzige Regal, das eine gewisse Systematik erkennen ließ.
Calum liebte Shakespeare. Er hatte alles, was er im Laden finden konnte, hier zusammengetragen, hatte Sophie mir erzählt.
Ich strich über die Bücher, die er sorgfältig sortiert hatte.
„Ich verstehe nicht, weshalb Männer dermaßen penibel sind“, sagte Sophie hinter mir. Sie schüttelte unwillig ihre Mähne. „Meinem Mann ist unklar, wie ich hier etwas finde. Aber er muss ja nicht herkommen. Er tobt sich zu Hause aus. Dort hat jedes Buch seinen Platz, und bevor der nicht feststeht, kommt das Buch nicht ins Regal.“
Sie lächelte mich an und ahmte, während sie sprach, Dr. Ericksons Tonfall nach.
„Calum lasse ich sein Vergnügen. Wenn er meint, dass es etwas zu sortieren gibt, soll er das meinetwegen tun.“
„Ich mag es, wie es ist“, sagte ich. „Man stößt auf Bücher, die man sonst nie gefunden hätte.“
Sophie strahlte mich an.
„Komm, der Tee ist fertig.“
Sie schob mich durch die Reihen zurück und platzierte mich auf einem alten, knarrenden, braunen Ledersessel. Auf
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