MondSilberTraum (MondLichtSaga) (German Edition)
ob sein Zimmergenosse anwesend ist.«
Er wartete einen Augenblick, doch offenbar fehlte niemand. Dann bahnte er sich einen Weg durch die Menge.
»Die anwesenden Lehrer holen bitte Fackeln aus der Eingangshalle und gehen an den Seiten und am Schluss. Ich übernehme die Führung. Achtet darauf, dass niemand zurückbleibt. Es wird ein anstrengender Marsch. Es gibt nur einen Ort auf der Insel, wo wir sicher sind.«
Verwundert sah ich ihn an. Ich hatte vermutet, dass er uns nach Marycroyd bringen würde. Fort von der Insel. Aber Talin hatte offenbar etwas anderes im Sinn.
Jemand reichte ihm eine Fackel.
»Was ist mit Raven?«, fragte ich. »Sie ist noch am Ufer. Wir müssen auf sie warten.«
»Raven und ihre Männer werden versuchen, Elin aufzuhalten, bis wir außer Reichweite des Wassers sind. Wir müssen uns beeilen. Lange wird Elin sich nicht hinhalten lassen.«
Angst bemächtigte sich meiner. Was würde Elin mit Raven und ihren Männern tun, wenn er merkte, dass sie mich nicht ausliefern wollten und konnten? Darauf fiel mir nur eine Antwort ein. Er würde sie töten. Oder er würde sie zwingen ihre Seelen und ihre Körper den Undinen zu überlassen.
Schweigend erreichten wir das Ende des Schlosshofes. Talin rannte über die Wiese auf den Wald zu, der auf dieser Seite dunkel die Berge emporwuchs. Das Getrappel der anderen folgte uns. Am Fuße der Berge erreichten wir einen Pfad. Der Zugang lag verborgen zwischen den Büschen. Er führte uns höher in die Berge und den Wald.
Ich versuchte, durch die Zweige und das Laub der Pflanzen, die am Rande wuchsen, einen Blick zurück zu erhaschen. Weiße Gischt schlug mittlerweile aus dem Strudel hervor. Es sah aus, als ob das Wasser ein Eigenleben entwickelt hatte und wutschnaubend nach den Elfen am Uferrand griff. Diese Wassermassen würden Avallach überschwemmen, wenn Elin sie losließ. Der Strudel leckte brausend am Himmel. Er wogte mit ohrenbetäubendem Lärm hin und her und wartete darauf seine Kraft entfesseln zu können.
Ich sah Gestalten vom Ufer fortlaufen. Es war Raven mit ihren Elfen. Talin riss mich weiter und lief den Pfad hinauf. Minuten später blieb er stehen, um sich umzuschauen. Wasser raste auf das Land zu, den fliehenden Elfen dicht auf den Fersen. Auf der Spitze des Strudels thronte Elin. Im Wasser konnte ich mehrere Dutzend anderer Shellycoats ausmachen, die ihre Dreizacks schwangen und sich wie verrückt gebärdeten.
»Dort ist Gawain«, sagte Talin tonlos. Doch so sehr ich mich anstrengte, ich konnte ihn durch die aufsprühende Gischt nicht erkennen.
Starr vor Angst stand ich neben Talin und rührte mich nicht. Das konnte Raven nicht schaffen. Sie würden ertrinken.
Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Der Lärm war nicht zu ertragen. Die Schreie der Shellycoats, das Brausen des Wassers, das Kreischen der Schüler um mich herum.
Peter drängelte sich zu uns durch.
»Wir müssen Raven helfen.« Seine Stimme klang verzweifelt. »Die Elfen werden es nicht schaffen.«
Talin nickte, antwortete jedoch nicht. Schweigend sahen wir auf das Bild, das sich uns bot. Das Wasser hatte das Ufer erreicht und fuhr mit unverminderter Kraft über den Uferstreifen auf das Schloss zu. Die Elfen rannten um ihr Leben. Eine Fackel nach der anderen verlosch in der Gischt, die von oben auf sie herab sprühte.
Peter konnte den Anblick nicht ertragen. Ein letzter Blick auf Talin, der das Geschehen mit versteinerter Miene beobachtete, genügte und er bahnte sich einen Weg zurück durch die aufgeregten Schüler. Talin drehte sich um und lief, meine Hand fest umklammert, weiter bergauf. Ich konnte nicht glauben, was er tat. Er überließ Raven und die Wachen ihrem Schicksal.
Ich nahm all meine Kraft zusammen und riss mich los. Bevor Talin wieder zugreifen konnte, war ich ihm entwischt und folgte Peter. Miro und Vince sahen mich fragend an.
»Raven«, rief ich im Vorbeilaufen und deutete mit einer Hand nach unten. Vince schloss sich mir an. Miro wechselte ein paar Worte mit Amia und lief hinter uns her. Der Strom der anderen Schüler folgte Talin nach oben, während wir vier verzweifelt versuchten, uns einen Weg zurück zu bahnen.
Ein Blick zum Schloss genügte, um zu wissen, dass wir es nicht schaffen würden. Die Panik beschleunigte meine Schritte. Ich hatte keine Ahnung, was wir tun sollten.
Wenn das Schloss erst überflutet war, würde Raven ertrinken. Mir und den Shellycoats würde das Wasser nichts ausmachen. Aber was war mit Peter? Er konnte uns nicht
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