MondSilberTraum (MondLichtSaga) (German Edition)
später ein Buch in Amias Schoß.
Ich erkannte das Papier wieder. Zwar erinnerte ich mich nicht an den Namen, aber auf demselben Papier hatte Amia ihre Einladungen zur Hochzeit verschickt.
Ehrfürchtig strich über die Seiten und blätterte es durch.
»Es ist ein Märchenbuch und es gibt nur sehr wenige Exemplare davon«, erklärte sie. »Als ich klein war, hatten wir eins davon im Schloss. Meine Mutter hat uns immer daraus vorgelesen. Jeden Abend vor dem Einschlafen. Elin und ich, wir liebten diese Stunde mit ihr. Als sie tot war, hat Elin mir nachts die Märchen aus dem Gedächtnis erzählt und mich damit getröstet. Ich durfte zu ihm ins Bett, auch wenn Ares es uns verboten hatte. Aber ich fühlte mich oft sehr allein. Das Buch war nach ihrem Tod verschwunden. Wir haben es gesucht, aber nie wieder gefunden.«
Ich tat mich nach wie vor schwer damit, mir Elin in seiner Rolle als liebender Bruder vorzustellen. Schon gar nicht, wie er seiner kleinen Schwester Märchen erzählte und sie tröstete. Doch wenn ich es bedachte und mein blaues Buch recht hatte, dann mussten die Undinen Elin verhext haben. Seinen Hass hatten sie ins Unermessliche gesteigert und den Elin, der er einmal gewesen war, vernichtet.
Während Amelie und ich Kunden bedienten, beobachtete ich aus dem Augenwinkel Amia, die den Kindern aus dem Märchenbuch vorlas. Sie schien glücklich. Die Kinder hingen an ihren Lippen und fieberten mit, während Amia ihre Stimme verstellte und mal wie ein Seeungeheuer klang und dann ein Seepferdchen nachahmte. Als es für die Kinder Zeit war zu gehen, musste Amia ihnen das Versprechen geben, in der nächsten Woche wieder hier zu sein und ihnen vorzulesen.
Sie würde eine wundervolle Mutter abgeben.
Trotzdem sah sie erschöpft aus, nachdem die Kinder den Laden verlassen hatten. Ich hatte beobachtet, dass sie zwei große Karaffen Wasser getrunken hatte, während sie las.
»Kann ich etwas für dich tun?«, fragte ich.
Amia nickte. »Kannst du mich zum See begleiten? Es ist Zeit für mein Bad.«
»Ist das nicht gefährlich?«, fragte ich.
»Nein. Der See der Elfen ist mit keinem anderen See hinter der Grenze verbunden. Wir können dort beruhigt schwimmen. Bald ist Vollmond. Du wirst diesmal gemeinsam mit uns tanzen.«
Ich war sprachlos.
»Emma. Es wird dein erster Vollmondtanz sein. Eigentlich wird so ein Ereignis in unserer Welt groß gefeiert.«
Mein erster Tanz. Weshalb hatte Calum nicht mit mir darüber gesprochen?
10. Kapitel
Amia führte mich an eine entlegene Stelle des Sees. Findlinge rahmten eine kleine Bucht ein. Farne und Gräser verliehen dem Ort etwas Zauberhaftes. Weißer Sand knirschte unter meinen Füßen, nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte.
»Das ist wunderschön hier. Hat der See auch einen Namen?«
»Das ist Loch Fairy.« Aus ihrer Umhängetasche zog sie ihren Schwimmanzug und streifte ihn über. Ich beneidete sie. Mein Anzug lag versteckt bei meinen Sachen im Haus.
»Wieso Loch Fairy? Was haben die Feen damit zu tun?«
Amelie wies auf das andere Ende des Sees.
»Morgens und manchmal auch abends kannst du, wenn der Nebel aus dem See aufsteigt, den Rest der Fairybridge erkennen. Vor langer Zeit führte diese von dort in das Tal der Feen. Doch in den Großen Kriegen wurde die Brücke zerstört. Der Weg zurück ist den Feen seitdem verwehrt. Den Namen hat der See trotzdem behalten.«
Ich musste an Morgaine denken und fragte mich, wo sie sich herumtrieb. Avallach war ihr Zuhause gewesen. Wo waren sie und die anderen Feen hingegangen?
Amia schwamm und tauchte. Von Minute zu Minute kehrten ihre Kräfte zurück.
Ich zog meine Hose aus und ging ins Wasser. Ich bespritzte meine Arme und mein Gesicht. Selbst das war schon eine Wohltat. Danach ließ ich mich ins Gras fallen und grübelte über unsere Probleme nach. Die Undinen konnten uns Menschen nicht sehen, okay. Galt das eigentlich grundsätzlich oder änderte sich das, wenn wir uns in der magischen Welt aufhielten? Und vor allem: Was war mit mir? In meinen Adern floss das Blut der Shellycoats. Ich musste mit Peter darüber sprechen. Ich biss mir auf die Lippen. Womöglich wussten die Undinen längst Bescheid.
Amia kam aus dem Wasser und setzte sich neben mich. »Kann ich dich allein zurückgehen lassen?«, fragte ich.
»Was hast du vor?«, fragte sie zurück.
»Ich bin noch mit Peter verabredet.«
»Was soll ich Calum sagen?«
»Vielleicht, dass ich noch in der Stadt bin?«, schlug ich vor.
Amia sah mich an.
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