Mondtaenzerin
war, als ob wir nur auf diese Aufforderung gewartet hätten. Wir hüpften, sodass die alten Bretter dröhnten und bebten, jauchzten, schwangen die Arme. Und da – in diesem Augenblick – wandte sich der Kapitän uns zu, hob die Hand an seinen Mützenschirm und grüßte. Und alle Offiziere taten es ihm nach. Und dann plötzlich war es, als ob Himmel, Wasser und Erde gleichzeitig explodierten. Die gewaltige Schiffssirene warf uns ihren Gruß zu, in einer Lautstärke, die die Luft
in mächtige Schwingungen versetzte. Das Getöse ließ erregte Möwenschwärme aufsteigen, die kreischend über St. Angelo fegten, der Dampfer nahm langsam und majestätisch Kurs auf die Hafenmündung und zog im Wasser eine schäumende Bahn, über der unzählige Vögel wirbelten und kreischten. Dann drehte das Schiff leicht ab, bevor es die Einfahrt passierte. Wir aber hüpften und winkten noch lange, atemlos, geblendet, trunken vor Freude. Und dann sahen wir uns an, traumbefangen und fassungslos, und konnten nicht aufhören zu lachen, während das Schiff sich entfernte und Fra Beato die hölzernen Läden schloss. Da fiel Dunkelheit in den Raum, und wir wurden still. Der Besuch war vorbei. Hinter Fra Beato gingen wir über die Terrasse zum Wagen. Und diesmal war es Giovanni, der darum bat, neben ihn auf den Vordersitz klettern zu dürfen.
»Halt dich gut fest!«, sagte Fra Beato mit einem Blick auf Giovannis verbundenen Arm.
Er gab Gas; der Motor knatterte, bevor die Fahrt mit voller Geschwindigkeit nach unten ging. Am Tor stand der Wachtposten stramm und salutierte, und wir salutierten übermütig und begeistert zurück. Und dann fuhr der Wagen aus dem Tor, und wir sahen das Auto meines Vaters und meinen Vater selbst, der uns aussteigen sah und misstrauisch unseren Übermut und unser Gelächter zur Kenntnis nahm.
»Ich hoffe«, sagte er steif, »dass die Kinder sich anständig benommen haben.«
»Sie waren geradezu vorbildlich.«
Fra Beato kniff uns ein Auge zu, worauf wir uns anstießen und überdreht kicherten, was bei meinem Vater ein missbilligendes Stirnrunzeln auslöste. Doch Fra Beato sagte: »Keine Sorge, Geoffrey, für solche Besuche bin ich dankbar. Sie hinterlassen ein großes Glücksgefühl in mir.«
Er sprach lächelnd, aber mit einer Spur von Kühle, ganz gering nur, sodass mein Vater sie nicht einmal zur Kenntnis
nahm. Es war, als ob er wider Willen in eine Rolle zurückfand, für die er nur noch Überdruss empfand.
»Was die Tonfigur betrifft, Sie werden ein offizielles Schreiben erhalten. Und es gibt Maßnahmen, die bald getroffen werden müssen. Maltas Geschichte soll der Nachwelt erhalten bleiben. Aber darüber reden wir noch.«
Er verabschiedete sich von meinem Vater, drückte jedem von uns die Hand. Als jedoch Giovanni an der Reihe war und er ihm die Hand auf die Schulter legte, bemerkte ich erneut diesen seltsamen Ausdruck in seinen Augen. Es war, als ob er auf ferne Dinge blickte, die uns fremd und verborgen waren, ihn aber mit einem Vorgefühl von Schmerz erfüllten.
»Du wirst ein guter Priester werden«, sagte er, und wieder war diese schwere Melancholie in seiner Stimme. »Wenn Gott es will und die Menschen es zulassen.«
17. Kapitel
J ahre später sagte Peter zu mir: »Dass etwas mit Giovanni nicht stimmte, spürten wir doch.«
Das war bei diesem Ausflug auf Rügen, als wir uns endlich entschlossen, die Fäden der Erinnerung zu entwirren. Bisher hatten wir die Vergangenheit von uns ferngehalten, auf Armeslänge außer Reichweite. Solange wir einigermaßen jung waren, funktionierte das. Aber unser Kopf war voller komplizierter Geschichten und Situationen, das ungesunde Balancieren zwischen Stummsein und Verdrängung führte zu nichts außer zu einer diffusen Lebensqual. Wir mussten da einiges herauskramen. Was hatten uns die Jahre geschenkt? Gewiss keine Gleichgültigkeit, nein, nur innere Distanz. Peter und ich hatten das Gefühl, einander zu verstehen, obwohl ich im Stillen dachte, dass dieser Eindruck täuschte. Immerhin, wir hielten gemeinsam die Fäden und entwirrten das Knäuel.
»Wer etwas zu vertuschen hat, wird still«, sagte ich. »Giovanni war vorzeitig einsilbig geworden. Das fiel auf.«
»Er schien immer abgelenkt. Am Anfang wussten wir ja nicht, warum. Mit dir hat er immerhin geredet. Mit mir nicht – kein einziges Wort.«
»Das stimmt«, sagte ich, »mir hat er einiges erzählt. Aber es hörte sich so merkwürdig an!«
Ja, wir waren unschuldig, aber Unschuld ist immer etwas anderes
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