Moni träumt vom großen Glück
„Gut, Mutti, wenn es soweit ist, dann sollst du mit nach Australien kommen.“
„Was ist eigentlich mit dir los, Moni?“ fragte Melitta am folgenden Tag, als wir zur Schule fuhren.
„Mit mir? Gar nichts ist los. Was meinst du?“
„Man sieht dich ja gar nicht mehr“, sagte Melitta, „außer in der Schule. Was machst du den ganzen Nachmittag?“
„Oh, ich…. na ja, ich habe eben zu tun.“ Melitta nahm eine Sekunde die Augen von der Straße und warf mir einen schnellen Seitenblick zu.
„Moni, hast du einen Freund?“
„Ja und nein, ja, ich habe einen Freund, aber den habe ich lange nicht gesehen.“
„Das ist ja schade. Aber Moni, dann bringe ihn doch mit! Ruth und Thomas und Michael und ich, wir gehen heute tanzen. Komm doch mit! Sei nicht so langweilig. Man vergißt ja beinahe, wie du aussiehst.“
Da mußte ich lachen. „Na, davon kannst du dich ja jeden Tag in der Schule überzeugen, wenn du Wert darauf legst. Im Ernst, Melitta, das wäre natürlich furchtbar nett, aber weißt du, ich kann nicht.“
„Kann nicht und kann nicht, das ist das einzige, was man zur Zeit von dir hört. Du bist schrecklich langweilig geworden, Moni.“
Bei Melittas Worten fühlte ich einen Stich im Herzen. Langweilig geworden! Ich hatte nicht damit gerechnet, daß mein Sparprogramm mich in diesen Ruf bringen würde. Ich konnte aber nichts darauf antworten; diese Antwort mußte überlegt werden, und bevor ich sie mir zusammengestellt hatte, waren wir schon da, und Melitta parkte den Wagen vor der Schule.
Vielleicht war es eine Einbildung von mir, aber ich hatte an diesem Tage das Gefühl, daß etwas anders geworden war zwischen meinen Freundinnen und mir. Die Worte, die Melitta im Auto gesagt hatte, wollten mir nicht aus dem Kopf. War ich wirklich so todlangweilig geworden? Hatte ich mich so total verändert? Sonst war ich nie eine Außenseiterin gewesen. Zugegeben, meine Freundinnen hatten zum größten Teil mehr Geld als ich. Sie hatten Väter in guten Stellungen. Sie hatten ihre Wagen. Sie konnten sich mehr leisten als ich. Aber trotzdem – ich hatte mich doch immer wohl gefühlt unter ihnen. War das nun alles anders geworden, nur weil ich sie nicht mehr des Nachmittags traf wie früher? Oder weil ich kein Geld mehr ausgeben wollte?
In der großen Pause zogen Ruth und Inge und Melitta sich zurück und tuschelten zusammen in einer Ecke. Gerade die drei, mit denen ich immer zusammen gewesen war, die drei, mit denen ich mich immer am besten verstanden hatte. Ich stand und fühlte mich ziemlich allein. Ich machte das Päckchen mit den Schulbroten auf. Außer den Broten enthielt es auch zwei Stücke Sandtorte. Mutti hatte es mir gestern abend zurechtgelegt. Ich stand da und kaute an meinem Brot herum. Da kam Jutta vorbei. Sie war auch allein.
„Hallo, Jutta“, sagte ich, „möchtest du ein Stück Sandtorte?“
Sie warf mir einen forschenden Blick zu und lächelte ein bißchen. Aber es war kein hübsches Lächeln.
„Deine Großzügigkeit ist überwältigend“, sagte sie. „Wieso diese plötzliche Freundlichkeit?“
„Jutta“, sagte ich. „Sei doch nicht so, ich habe doch nie etwas gegen dich gehabt.“
„Oh, ich heule gleich vor Rührung. Du hast dich wohl mit den drei anderen verkracht? Da ich plötzlich gut genug bin.“
„Ich habe mich mit niemandem verkracht, aber die drei scheinen irgend etwas vorzuhaben, das mich nichts angeht. Das ist doch eine ehrliche Sache. Und da du hier allein stehst und ich hier allein herumstehe… warum können wir nicht zu zweien herumstehen? So komm nun, nimm ein Stück Torte. Sie ist wirklich gut. Meine Mutti kann nämlich backen.“
„Na ja, meinetwegen.“ Sie nahm ein Stück. „Danke“, murmelte sie. Sie aß langsam. Ich sah, wie sie es genoß. Ich wußte ja, daß Jutta selten Leckereien zu essen bekam.
Ein Gespräch wollte aber nicht zustande kommen. Das war nun mal so, wir hatten eben wenig Kontakt, Jutta und ich. Sie hatte es bestimmt nicht leicht in der Klasse. Sie hatte es viel schwerer als ich – wegen der schlechten Finanzen zu Haus. Aber Jutta war komisch. Es war, als ob sie sich dadurch rettete, daß sie spöttisch und überlegen tat und oft unfreundliche Antworten gab. Jutta hatte ein kluges Köpfchen, und sie verfügte über einen großen Wortschatz; manchmal konnte sie Antworten geben, die so treffend und so verletzend waren, daß sie richtig weh taten, gerade weil sie immer den wunden Punkt traf.
Dann kam noch etwas dazu. Das hatte nicht
Weitere Kostenlose Bücher