Moni träumt vom großen Glück
Wagen abgeholt wurde. Mein Fahrrad hatte einen Plattfuß, und zu laufen – den weiten Weg zur Schule – , dazu hatte ich wirklich keine Lust. Aber wo blieb eigentlich Melitta? Eswar schon reichlich spät. Ich wartete noch etwas. Ich stand in der Tür, suchte Schutz gegen den Regen, aber zuletzt wagte ich nicht mehr zu warten. Vielleicht war Melitta krank. Doch dann hätte sie mich wohl angerufen. Na, wie dem auch sei, ich mußte los, und das ein bißchen dalli!
Der Regen prasselte gegen meinen Mantel und peitschte mir ins Gesicht. Bei den Schrebergärten – ein bißchen von unserem Haus entfernt – schlug ich einen verkürzten Weg ein. Da führt ein Fußpfad zwischen den Gärten entlang und dort lief ich durch. Es war furchtbar matschig. Ich lief auf dem schmalen Grasstreifen an der Seite, damit meine Schuhe nicht allzu dreckig wurden. Plötzlich hörte ich Motorengeknatter hinter mir. Dieses aufdringlich laute Geräusch eines Mopeds, das rücksichtslos gefahren wird. So eine Frechheit, hier zu fahren, wo doch deutliche Verkehrszeichen zeigten, daß der Pfad nur für Fußgänger war. Jetzt war es dicht hinter mir. Weiter zur Seite konnte ich nicht gehen. Ich befand mich ja schon auf dem Grasstreifen. Neben mir auf dem Pfad war eine große Pfütze, und durch diese fuhr der Mopedist mit einer Riesengeschwindigkeit. In der nächsten Sekunde war ich von oben bis unten mit Matsch bespritzt.
„Altes Ferkel!“ rief ich wütend. Er drehte den Kopf und grinste. Jetzt sah ich, wer es war. Es war Walter Brander.
Nun sieh einer an, der hatte sogar ein Moped gekriegt! Der Kuckuck mag wissen, woher er das Geld dafür hatte. Es sah ihm ähnlich, aus lauter Bosheit so zu fahren und meinen hübschen neuen Regenmantel vollkommen zu ruinieren. Ich hätte heulen können.
Ich machte bestimmt keine reizende Figur, als ich einige Minuten später durch das Schultor rannte – mit nassen, strähnigen Haaren, mit nassem Gesicht und in einem Mantel, der über und über mit Matsch bespritzt war – und obendrein ganz außer Atem.
Die erste Stunde hatte natürlich angefangen. Ich entschuldigte mich damit, daß ich unterwegs von einem Mopedfahrer beinahe angefahren worden wäre. Ich sagte kein Wort darüber, daß ich auf Melitta vergeblich gewartet hätte. Warum sollte ich auch! Ich würde nur mich selbst dadurch lächerlich machen.
Melitta saß auf ihrem Platz – hübsch und gepflegt wie immer. Einen Moment trafen sich unsere Augen, dann guckte sie schnell weg. Eigentlich hatte ich ein paar Worte auf der Zunge, die ich ihr gern gesagt hätte, aber – was hätte ich davon? Sie würde sich natürlich verteidigen, und dann würden scharfe und unfreundliche Worte fallen. Nein, besser nicht. Jetzt wußte ich ja Bescheid. Sie fühlte sich nicht verpflichtet, mich abzuholen. Sie war es ja auch nicht. Ich meinte nur, sie hätte mir Bescheid geben müssen. Also sagte ich ihr nichts. Aber in der Pause ging ich in die Garderobe und sah mir wieder die Bescherung an. Ich ging zur Wasserleitung und versuchte, den Schaden ein bißchen zu beseitigen. Während ich dastand, kam Jutta.
„Na, da hast du Pech gehabt.“
„Kann man wohl sagen“, sagte ich, und schon hatte ich den Mund aufgemacht, um zu sagen: „Das habe ich deinem feinen Bruder zu verdanken“, aber im letzten Augenblick schluckte ich die Worte hinunter. Daß Jutta von sich aus zu mir kam und eine kleine ,Beinahe’-Freundlichkeit sagte, das war etwas, das ich nicht zerstören durfte. Und Jutta konnte ja nichts dafür, was ihr Bruder machte.
„Wie ist es bloß passiert?“ fragte Jutta.
„Ja, das frage ich mich auch“, sagte ich. „Ich lief da durch die Schrebergärten – du weißt – auf dem Fußpfad. Da kam so ein Ferkel von Mopedfahrer und fuhr so schnell und absichtlich so dicht an mir vorbei, daß er mich über und über mit Matsch bespritzte.“
„Wer mag das wohl gewesen sein?“ fragte Jutta. Ich zuckte die Schultern.
„Was weiß ich? Es ging alles so furchtbar schnell. Das Moped war blau, soviel wie ich gesehen habe.“
Es kam mir so vor, als ob Jutta irgendwie schluckte.
„Es gibt ja so viele blaue Mopeds“, sagte sie zuletzt.
„Haufenweise!“ stimmte ich zu. „Aber nicht so viele Mopedfahrer, die ausgerechnet auf einem Fußpfad fahren, wo es verboten ist.“
Darauf antwortete Jutta nichts. Sie guckte mich an und sagte: „Moni, dein Gesicht hat auch etwas abgekriegt. Es ist wohl besser, wir gehen in den Waschraum. Komm, ich nehme dir den Mantel
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