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Moni träumt vom großen Glück

Moni träumt vom großen Glück

Titel: Moni träumt vom großen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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für eine Liederliese ich manchmal bin, wenn ich zu tun habe, und du hast bestimmt viel zu tun.“
    „Na ja“, sagte Marc, „habe ich schon. Komm rein, Moni, und wie gesagt, fang nur nicht an, die Staubkörnchen zu zählen.“
    Er machte die Tür auf zu einer kleinen Wohnstube. Sie war sehr bescheiden eingerichtet. In der Ecke stand ein kleiner Weihnachtsbaum und wartete anscheinend darauf, geschmückt zu werden.
    „Ja“, lächelte Marc, „Opa hat jahrelang keinen Weihnachtsbaum gehabt, aber diesmal, wenn er den Heiligen Abend mit seinem einzigen Enkel feiern wird, wollte er auch einen Baum haben.“
    „Marc, ich wollte dich nicht aufhalten. Kann ich dir nicht behilflich sein – beim Aufwaschen? Soll ich abtrocknen?“
    „Ach, was denn, Moni, das sollst du nicht. Das schaffe ich schon!“
    Etwas in seiner Stimme sagte mir, daß es vielleicht doch nicht so schlecht angebracht wäre, wenn er ein bißchen Hilfe bekäme. Also ging ich kurzerhand mit ihm in die Küche, nahm ein Tuch und fing an abzutrocknen. Das war ein großer Abwasch.
    „Weißt du, ich bin zwei Tage nicht dazu gekommen“, erklärte er mir. „Es ging Opa nicht so sehr gut. Jetzt scheint er sich etwas erholt zu haben. Er schläft gerade. Das macht er übrigens immer zu dieser Zeit.“
    Damit hatte ich gerechnet. Deswegen hatte ich diese Zeit für meinen Besuch gewählt.
    „Du, Marc“, sagte ich, während ich eifrig abtrocknete und die fertigen Sachen auf den Küchentisch stellte, „ich habe einen entzückenden Brief von Frau Adele Peters bekommen. Ich soll grüßen.“
    „Na, das freut mich aber. Ja, sie schreibt lustige Briefe. Weißt du, sie ist eine echte alte Berlinerin – geradeaus, offen und schlagfertig mit einem großen Herzen und mit sehr viel Humor.“
    „Ja, aber sie setzt voraus, daß ich viel mehr über dich weiß, als es der Fall ist. Sie erzählt etwas von einem glücklichen Zufall, der dich in das Haus von einem… von einem… ach, wie hieß er doch gleich…?“
    „Major Krüger“, sagte Marc. „Ja, da kann sie wohl recht haben. Das war ein glücklicher Zufall.“
    „Ist es ein Geheimnis, Marc? Ich bin so schrecklich neugierig! Kannst du es nicht erzählen?“
    „Nein, um Gottes willen, das ist kein Geheimnis. Ich mag nur nicht so viel über mich selber sprechen.“
    „Ach, du bist dumm, Marc. Erzähle doch, bitte!“ Marc erzählte. Er erzählte nüchtern und kurz, ohne große Worte.
    Als er mit sechzehn Jahren aus dem Kinderheim kam, arbeitete er einen Sommer auf einem Gut. Der Gutsherr hatte eines Tages Besuch von einem alten Freund und führte diesen Freund durch die Ställe und über den ganzen Besitz. Marc stand gerade am Heuwagen, als die beiden alten Herren vorbeigingen. Sie blieben stehen. Der Gast musterte Marc von oben bis unten. Dann kam er hin zu ihm und sagte:
    „Sag mal, mein Junge, wie heißt du?“
    „Marcus Becker.“
    Der Fremde nickte: „Das habe ich mir doch gedacht… das habe ich mir doch gedacht! Ist dein Vater vielleicht im Krieg gefallen?“
    „Ja, vor Stalingrad.“
    „Ich weiß es. Und deine Mutter?“
    „Meine Mutter ist tot. Kurz nach meiner Geburt gestorben.“
    „Erzähle mir doch, wie sie mit Vornamen hieß.“
    „Renate.“
    Dann musterte der Fremde Marc. „Komm mit mir, mein Junge. Ich muß mit dir sprechen.“
    Es folgte ein Gespräch. Es folgten mehrere Gespräche. Und ein paar Tage, nachdem der Gast nach Berlin zurückgefahren war, kam ein Brief an Marc. Major Krüger – so hieß der Gast – hatte Marcs Vater gut gekannt, sehr gut gekannt. Sie waren zusammen vor Stalingrad gewesen und Major Krüger war der letzte Mensch, der Marcs Vater lebend gesehen hatte. Bei einer Gelegenheit hatte Marcus Becker senior dem Major das Leben gerettet, und dieser fühlte eine tiefe Dankesschuld. Als er den jungen Hilfsarbeiter auf dem Gut gesehen hatte, hatte er seinen Augen nicht getraut. Es war gewesen, als ob er seinen alten Freund lebendig vor sich sähe – nur in einer etwas jüngeren Ausgabe. Marc war das Ebenbild seines Vaters. Nun bat ihn der Major, zu ihm nach Berlin zu kommen. Er hätte sich überlegt, schrieb er, wie er seinem alten Freund nach dem Tode noch etwas Gutes tun könne, und wäre zu dem Resultat gekommen, das beste, das er tun könne, wäre, dem Sohn zu einer guten Ausbildung zu verhelfen. Er habe in Erfahrung gebracht, daß Marc in der Schule so gut mitgekommen sei, daß man es ihm ermöglicht hätte, die mittlere Reife zu machen. Jetzt böte ihm der Major

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