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Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition)

Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition)

Titel: Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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mich so bescheuert anzustellen. Schließlich wäre das alles nur passiert, weil ich so scharf auf den Fettsack gewesen sei. Ohne mein Rumgemache mit dem wäre Georg nichts passiert. Aber jetzt die Beleidigte zu spielen – typisch Monika. Das hätte ich genauso voll drauf wie meine Mutter.
    In jeder anderen Situation wäre ich Boris für eine derartige Unverschämtheit an den Hals gegangen. In dieser nicht. Ich hatte keine Energie mehr übrig, auch noch auf Boris wütend zu sein.
    Montags war ich noch immer nicht ansprechbar. Da Ferien waren, hatte ich den ersten Job meines Lebens angenommen und war tagsüber nur in der Mittagspause zu Hause. Wie hatte ich immer unter der Lieblingsstrafe meiner Mutter, dem schweigenden Ignorieren gelitten – und jetzt wandte ich sie selbst an, ausgerechnet gegenüber Georg. Ich ertrug seinen Anblick nicht. Jeder der mittlerweile blaurot unterlaufenen Flecke schrie mir meine Schuld entgegen.
    Erst abends, kurz vor dem Zubettgehen, hielt Georg mich am Arm zurück. »Warum bist du eigentlich so tierisch geladen?«, fragte er. »Meinst du nicht, ich hätte mehr Grund?«
    »Und wieso wohl?«, schnappte ich. »Soll ich mich noch bedanken, dass du mir nachschnüffelst?«
    »Hör schon auf mit deiner doofen Geheimnistuerei«, sagte Georg. »Ich hab echt keinen Bock mehr darauf.«
    »Was für eine Geheimnistuerei?«, fragte ich und tat so, als wüsste ich wirklich nicht, was er meinte.
    »Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Meinst du echt, ich kriege den ganzen Töchtertausch und alles nicht mit? Bin ich von gestern, oder was?«
    »Und was hast du jetzt davon?«, schrie ich ihn an. »Geht’s dir jetzt besser mit dem Buckel voll Kloppe?«
    Georg schüttelte traurig den Kopf. »Und von dir hab ich mal gedacht, wir wären Verbündete.«
    Wortlos ließ ich ihn stehen. Er sollte meinen Panzer nicht durchdringen. Schwäche zu zeigen hieß verletzlich sein. Mit Georg zu weinen wäre Schwäche gewesen.
    Der Dienstag kam. Schon früh eilte ich aus dem Haus. Der Ferienjob war mir wichtig. Ich war stolz, erstmals Geld zu verdienen, beweisen zu können, dass etwas in mir steckte. Mittags kam ich zum Essen zurück. Boris hatte gekocht. Abräumen, die Geschirrspülmaschine füllen, die Töpfe schrubben und alles an seinen Platz stellen musste ich. Ein Blick auf die Uhr. Ich war spät dran. Ohne Hilfe würde ich zu spät zur Arbeit kommen.
    »Georg«, sagte ich und zwang mich, freundlich zu sein, »sei so gut und hilf mir, ja? Ich muss doch weg. Ohne dich packe ich es nicht mehr rechtzeitig.«
    Georg lächelte. Eine Weile sah er mich an, als hätte er etwas Besonderes zu sagen. »Soll ich dir echt helfen?«, fragte er dann. »Du meinst, so ganz richtig helfen?«
    »Jetzt halt keine Volksreden«, sagte ich unwirsch. »Hilfst du mir jetzt oder nicht?«
    »Ja«, sagte Georg und zog Boris mit einem Arm zu sich heran, während er mir die Hand entgegenstreckte. »Ich mach’s, ich helf dir. Aber nur, wenn wir uns jetzt vertragen.«
    Schon wieder zwei Minuten vertrödelt! Ich musste los, der Job war weg, wenn ich nicht pünktlich wäre.
    »Von mir aus«, sagte ich, nur um endlich Ruhe zu haben. »Wir vertragen uns, alles paletti, wieder gut. Bist du jetzt zufrieden, du Nervensäge?«
    »Gut!«, sagte Georg und schüttelte ernsthaft meine Hand. »Wir haben uns wieder vertragen, vergiss es nicht. Jetzt helfe ich dir. Kannst dich darauf verlassen!«
    »Ehrenwort?«, fragte ich, schon halb in der Haustür.
    »Ehrenwort!«, sagte Georg. »Aber du hast noch etwas vergessen.«
    »Und was?«, rief ich. »Etwa noch eine Bedingung?«
    »Du hast dich noch nicht von mir verabschiedet«, sagte Georg.
    Mit einem ungeduldigen Seufzer hastete ich zu ihm zurück, nahm ihn in den Arm und küsste ihn, wie wir es immer vor dem Einschlafen taten, auf die Wangen, die Augen, den Mund. »Tschüss«, sagte ich dann. »Jetzt zufrieden?«
    »Mhm«, machte er und winkte mir vom Balkon so lange nach, bis ich verschwunden war.
    Zwei Stunden später war Georg tot. Gestorben, um mir zu helfen. Freiwillig, auf Ehrenwort.

XXIX
    Mein Vater holte mich gemeinsam mit Boris von der Arbeit ab. »Georg ist tot«, sagte er. »Von der neuen Autobahnbrücke gestürzt, die wir gerade bauen.«
    Ich weiß nicht mehr, ob ich schrie oder zusammenbrach. Georg tot? Ich wollte es nicht glauben. Eben hatte ich ihn doch noch gesehen, ihn im Arm gehalten, seine Haut gespürt. Eben war er mir doch so nah. »Ich helfe dir!«, hatte er gesagt.
    Warum hatte ich

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