Monk - 03
würde sagen, dass Sie den Fall noch nicht gelöst haben«, entgegnete ich.
»Ich habe einen schlechten Tag.«
»Ich habe nur einen Scherz gemacht.«
»Ich nicht.« Monk richtete seine Aufmerksamkeit auf das Haus auf der anderen Straßenseite. »Vielleicht kann sie uns ja weiterhelfen.«
Ich folgte seinem Blick und bemerkte ein heruntergekommenes viktorianisches Haus mit einer verblassten lila Fassade. Die dunklen Vorhänge waren zugezogen, und auf einem Neonschild davor stand geschrieben: Madam Frost – Wahrsagerin und Hellseherin. Tarotkarten, Handlesen, Astrologie. Die Vorhänge zierten Halbmonde, Sterne und wohl der Form halber ein paar Yin-und-Yang-Symbole.
»Soll sie für Sie in ihre Kristallkugel schauen?«, fragte ich.
»Vielleicht weiß sie ja etwas über ihre tote Nachbarin, die wie sie ein Scharlatan war.«
Wir waren auf dem Weg zur Eingangstür, als Madam Frost humpelnd auf uns zukam. Ich wusste natürlich, dass sie es war, denn im Gegensatz zu Allegra Doucet sah sie exakt aus wie die Rolle, die sie spielte. Sie war um die sechzig, vielleicht auch etwas älter, hatte sich einen Umhang übergeworfen, der wirkte, als bestünde er aus Spinnweben. Dabei stützte sie sich auf einen Stock, der nach einem alten Ast aussah und genauso knorrig war wie ihre Finger, die jeder einzelne von mindestens einem protzigen Ring geschmückt waren. Ihre Zähne waren gelb wie die Seiten eines uralten Taschenbuchs. Wenn Sie sich Yoda aus Star Wars in Frauenkleidung vorstellen, dann wissen Sie, wie sie aussah.
»Madam Frost?«, fragte Monk, auch wenn er sicher längst wusste, wer sie war. Wer sonst würde sich schon so kleiden?
»Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie endlich vorbeikommen würden«, erwiderte sie. »Ich hatte Sie schon erwartet.«
»Haben Sie in Ihrer Kristallkugel gesehen, dass wir vorbeikommen würden?«, wollte ich wissen.
»Ich habe aus dem Fenster gesehen, das ist oft viel erhellender«, gab sie zurück und ging zur Tür. »Ich sah die Streifenwagen vor meiner Einfahrt, und der Gerichtsmediziner betrat Allegras Haus. Ich dachte mir, dass die Polizei irgendwann vorbeikommen würde. Treten Sie doch bitte ein.«
Sie schloss die Tür auf und winkte uns in ihren Salon, der – wie sie selbst – exakt so aussah, wie es das Schild im Fenster versprach.
Das Zimmer wurde von mehreren Bleiglaslampen erhellt, die für einen schwachen Schein an den Wänden sorgten. Überladene Regale waren mit verstaubten alten Büchern vollgepackt, auf den Buchrücken fanden sich seltsame Symbole und Titel in einer Schrift, die ich nicht entziffern konnte. Jede freie Stelle in diesen Regalen wurde genutzt, um alle möglichen mystischen Utensilien unterzubringen: tönerne Runen, Schrumpfköpfe, ein ägyptischer Obelisk, Voodoo-Knochen, Kristalle, Navajo-Traumfänger, Einhörner, Chakra-Medizinbeutel, Hühnerkrallen, Buddhas, Kelche, afrikanische Fruchtbarkeitssymbole, Schriftrollen sowie ein winziges Modell der Enterprise .
Damit hatte sie offenbar für alle Eventualitäten vorgesorgt. Sollte jemals ein buddhistischer Trekkie mit Wurzeln bei den Ägyptern und den Navajo vorbeikommen, um sich von ihr die Zukunft vorhersagen zu lassen, dann war sie bereit.
In einer Ecke stand ein kleiner runder Tisch, darauf befanden sich eine Kristallkugel, ein Satz Tarotkarten und ein gelber Notizblock. Sie warf ihren Schlüsselbund auf den Tisch und drehte sich zu uns um.
»Also, was kann ich für Sie tun?«
»Wir ermitteln im Mordfall Allegra Doucet, der Astrologin von gegenüber«, sagte Monk, der nervös zuckte und den Blick durch das für ihn hoffnungslos unordentliche Zimmer schweifen ließ.
»Sie war keine Astrologin«, gab Madam Frost zurück. »Sie war eine Schauspielerin mit einem Computer. Sie besaß nicht das gewisse Etwas.«
»Anscheinend doch«, meinte ich. »Immerhin verdiente sie genug, um bei Prada einkaufen zu können.«
Madam Frost ging eindeutig nicht dort einkaufen, sondern wirkte eher, als hätte sie sich bei einem Garagenverkauf der Addams Family eingekleidet.
»Und trotzdem ist sie tot, während ich noch lebe«, sagte sie. »Da nützt ihr ein schönes Bankkonto auch nichts mehr.«
»Klingt nicht gerade, als hätten Sie sie gemocht.« Monk atmete schwer. Welches Problem er im Moment hatte, war mir nicht klar.
»Seit vierzig Jahren berate und führe ich die Leute in dieser Nachbarschaft und helfe ihnen auf ihrem Weg. An diesem Tisch saßen schon Janis Joplin und Ken Kesey. Ich habe gemeinsam mit Timothy
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