Monk - 03
gedankenverloren weiter. »Für einen sorgfältig geplanten Mord kommt es mir auffallend impulsiv vor, das Opfer vor einen Bus zu stoßen.«
»Sie widersprechen sich selbst«, sagte ich.
»Ja, das tue ich«, erwiderte er nachdenklich. »Und gleichzeitig tue ich es nicht.«
8. Mr Monk fantasiert
Ich überredete Monk, zum Abendessen mit zu mir nach Hause zu kommen. Aber, um ehrlich zu sein, nicht etwa, weil ich von seiner (oder er von meiner) Gesellschaft nicht genug bekommen konnte, sondern weil ich schon immer mal mit Julie eine Runde im Streifenwagen fahren wollte – am Besten natürlich in Begleitung eines Polizisten; andernfalls hätte ich mich ziemlich unwohl gefühlt.
Außerdem hatte ich den Eindruck, dass Monk in diesem Moment nicht allein sein wollte und ihm etwas Unterhaltung ganz gut tun würde. Auf dem Weg zu mir nach Hause saß er jedenfalls geistesabwesend da und betrachtete stumm seine Dienstmarke. Etwas machte ihm offenbar sehr zu schaffen.
In der ganzen Aufregung, von einem Mordfall zum nächsten zu fahren, wurde mir erst langsam klar, dass dies Monks erster Tag war, den er wieder im Polizeidienst verbrachte. Und es war das erste Mal überhaupt, dass er das Kommando hatte. Es konnte nicht leicht für ihn gewesen sein, anderen zu sagen, was sie tun sollten, wenn er doch sein eigenes Leben kaum unter Kontrolle hatte.
»Das war ein großer Tag, nicht wahr, Mr Monk?«
Er steckte die Dienstmarke zurück in die Jackentasche und seufzte. »Ich habe meine Marke wieder.«
»Aufregend, oder?«
»Aber nur solange ich sie noch behalten darf.«
»Niemand hat gesagt, dass Sie sie zurückgeben sollen.«
»Das werden sie aber«, sagte Monk. »Ich habe nichts erreicht.«
»Das war doch Ihr erster Tag«, wandte ich ein. »Sie haben den Arbeitsablauf des Morddezernats mitten in einem Streik mit einer Minimalbesetzung aus Exdetectives aufrechterhalten. Das an sich ist doch schon eine beachtliche Leistung.«
»Aber ich habe im Fall des Golden-Gate-Würgers keine Fortschritte gemacht.«
»Wie denn auch? Sie hatten heute drei andere Morde, um die Sie sich kümmern mussten.«
»Und ich habe noch immer keine Ahnung, wer die Astrologin erstochen, den Architekten überfahren und die Kellnerin vor den Bus gestoßen hat.«
»Sie arbeiten doch erst seit ein paar Stunden an den Fällen.«
»Ich bin ein totaler Versager.«
»Sie hatten doch kaum Zeit, sich alle Tatorte in Ruhe anzusehen, geschweige denn irgendetwas zu ermitteln«, hielt ich dagegen. »Haben Sie etwa erwartet, jeden der Fälle auf der Stelle zu lösen?«
»Das habe ich früher auch gekonnt.«
»Das waren Zufallstreffer.«
»Achtundsechzig Prozent aller Fälle auf der Stelle zu lösen, ist kein Zufall«, widersprach Monk.
»Sie haben mitgezählt?«
Das war eine dumme Frage. Schließlich zählt er alles Mögliche: die Straßenlampen, die Deckenplatten auf dem Polizeirevier, die Rosinen in seinem Raisin Bran und vermutlich sogar die Salzkörner in seinem Streuer. Natürlich zählt er dann auch die Anzahl seiner gelösten Fälle und die Zeit, die er dazu benötigt.
»Das wird meiner Statistik schweren Schaden zufügen«, beklagte er sich.
»Vergessen Sie solche Kleinigkeiten, denken Sie lieber in anderen Dimensionen«, sagte ich zu ihm. »Sie haben alle Mordfälle gelöst, die Ihnen je vorgelegt wurden.«
»Alle bis auf einen«, erwiderte er traurig. Natürlich meinte er den Mord an seiner Frau Trudy, seinen wichtigsten Fall überhaupt.
»Den werden Sie auch noch lösen«, versicherte ich ihm. »Ganz egal, wie lange Sie dafür brauchen werden.«
»Und wenn ich mein Mojo verloren habe?«
»Das haben Sie nicht.«
»Vielleicht sollte ich alles hinwerfen und dem Bürgermeister mein klägliches Versagen ersparen.«
»Das ist Ihre Erfolgsstrategie? Sie kündigen in dem Moment, in dem es schwierig wird.«
»Das könnte funktionieren«, meinte Monk.
»Haben Sie es mit der Methode auch bis dahin geschafft, wo Sie heute sind? Nein! Es ist Ihnen gelungen, weil Sie immer weitergemacht und gegen Ihre Ängste angekämpft haben, bis Sie das in den Händen halten konnten, was Ihnen wichtig war: ihre Dienstmarke. Und jetzt, da Sie sie haben, wollen Sie einfach aufgeben? Ich bin sehr erstaunt, Mr Monk.«
»Sie verstehen nicht, Natalie. Ich habe keine Anhaltspunkte, was diese drei heutigen Morde angeht. In meinem Kopf sind alle Fakten und Fragen völlig durcheinandergewirbelt. Es ist, als wäre es ein einziger großer Fall. Ich kann einfach nicht
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