Monk - 03
sich dann einen blutigen, verstümmelten Leichnam ansehen, wenn Ihnen bei Farbklecksen auf einer Leinwand übel wird?«
»Je länger ich mir etwas so Chaotisches, so Unordentliches, so Verkehrtes ansehen muss, desto stärker und unwiderstehlicher wird der Wunsch, es zu tun.«
»Was zu tun?«
»Es zu beheben«, sagte Monk.
»Wie wollen Sie ein Gemälde beheben ? Wie wollen Sie Ordnung in etwas bringen, das absichtlich abstrakt ist?«
»Ich weiß es nicht, und das macht mir solche Angst. Ich habe keine Ahnung, was ich tun könnte.«
»Sie könnten sich zusammenreißen«, schlug ich vor, doch nach dem Blick, den er mir daraufhin zuwarf, fügte ich rasch an: »Schon gut, ich nehme alles zurück.«
»Bei einem ungelösten Mordfall verspüre ich den gleichen Zwang, das Problem zu beheben. Aber da weiß ich, was ich tun muss«, sagte er. »Ich füge die Beweise zu einem Bild dessen zusammen, was sich abgespielt hat, und dann sorge ich dafür, dass der Mörder für sein Verbrechen bestraft wird.«
»Glauben Sie, Collins hat Allegra Doucet ermordet?«
»Nach seinem eigenen Eingeständnis hatte er ein Motiv und eine Gelegenheit«, überlegte Monk. »Dass er einen Schlüssel zum Haus hatte und ihr Liebhaber war, würde erklären, wie er ins Haus gelangen konnte und warum sie ihren Mörder ansah und nicht wusste, was sie erwartete, bis es zu spät war.«
»Und was ist mit dem offenen Fenster in der Toilette und dem herausgerissenen Handtuchhalter?«
»Collins könnte das inszeniert haben, damit es aussieht, als sei ein Eindringling im Haus gewesen, der aber nie da war.«
»Meinen Sie nicht, er hätte sich ein besseres Alibi ausgedacht, wenn er vorhatte, Allegra Doucet zu ermorden?«
»Das sollte man meinen«, sagte Monk.
»Andererseits ist das vielleicht genau das, was wir denken sollen. Vielleicht hat er absichtlich ein so dürftiges Alibi, damit er nicht so schuldig wirkt.«
»Könnte sein«, erwiderte Monk.
»Und was von beiden ist es nun?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht. Aber ich war sehr beeindruckt von Ihrem Vortrag in der Galerie.«
Ich musste lächeln, und vielleicht wurde ich sogar ein wenig rot im Gesicht. Es war das erste Mal, dass Monk mir erklärte, er sei von etwas beeindruckt gewesen, was ich getan oder gesagt hatte.
»Wirklich?« Ich hoffte, ich würde ihm noch ein Kompliment entlocken.
»Ich muss ständig darüber nachdenken.«
»Sie meinen diese philosophische Frage, was Kunst darstellt?«
»Ich meine diese Kartons mit Brillo-Seife«, gab er zurück. »Das klingt unglaublich. Wo kann ich mir die ansehen?«
Mein Handy klingelte. Officer Curtis wollte mich wissen lassen, dass San Francisco einen Steuerzahler weniger hatte.
Wir waren auf dem Weg zum Schauplatz eines Mordes. Dem Opfer konnte also ohnehin niemand mehr helfen. Dennoch verspürte ich den Drang, mich zu beeilen. Ich fuhr zwar nicht zu schnell, aber ich verhielt mich doch recht aggressiv.
Wenn dieser Polizeidienst noch lange dauerte, dann wollte ich ein magnetisches, rotes Blinklicht, wie Kojak eines hatte. Dann musste ich es nur aufs Dach aufsetzen, wenn es Zeit wurde, dass ich mal Gas gab.
Ich hatte jetzt aber nicht Gas gegeben, umso überraschter war ich, als ich im Rückspiegel einen Streifenwagen sah, der sich hinter uns klemmte und das Blaulicht einschaltete.
»Was will der denn von uns?«, wunderte ich mich.
Monk schaute über die Schulter. »Vielleicht ist er unsere Eskorte.«
»Das bezweifle ich.«
Ich fuhr noch ein oder zwei Blocks weiter, bis der Cop hinter uns kurz die Sirene betätigte, damit ich anhielt.
Ich stoppte den Wagen in einer roten Zone, dem einzigen freien Stück auf der Straße. Monk warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Jetzt haben Sie's getan«, sagte er.
»Ich habe gar nichts getan«, widersprach ich.
»Die Polizei hält niemanden an, weil er nichts getan hat«, hielt Monk dagegen.
»Doch, das kommt vor, wenn man den Typen durch die Stadt fährt, der während einer Montagsgrippe das Angebot des Bürgermeisters akzeptiert hat, das Morddezernat zu übernehmen.«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte er.
»Die haben gewusst, dass wir auf dem Weg zum Tatort sind, und geahnt, dass wir diese Strecke nehmen«, sagte ich. »Es war eine Falle. Mich würde nicht wundern, wenn jede Streifenwagenbesatzung in der Stadt dazu angehalten worden ist, mir für irgendeine Kleinigkeit einen Strafzettel zu verpassen.«
»Da hat jemand wohl einen
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