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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Ihnen an!
    Worüber aber mit Heike reden? Den Schlüssel, an dem die anderen drehten, wollte sie nicht benutzen. Sie verabscheute Politik.
    Ich will Zugang zu dir als Person, sagte sie unter Tränen. Aber meistens finde ich nur noch einen Karrieristen.
    Das Wort Karriere haßte sie inzwischen nicht weniger als die Politik. Es mache sie frieren, sagte sie, es schiebe sich wie ein Panzer zwischen ihren Mann und sie. Und töte das Gefühl, eine Familie zu sein.
    Wir haben ein Kind, sagte sie. Verstehst du das überhaupt: ein Kind!?
    Gundelach verstand nur zu gut. Jeder, der sich ab und zu Zeit genommen hätte, um mit Benny zu spielen, wäre wichtiger gewesen als er. Ihn würde Benny wirklich vermissen. Seinem Vater dagegen begegnete er nur freundlich.
    An der mangelnden Zeit allein lag es freilich nicht. Gundelach wollte sich von Benny nicht vereinnahmen lassen. Zwar liebte er seinen kleinen, frühe Züge nachdenklicher Ernsthaftigkeit zeigenden Sohn über alles. Aber es war eine beobachtende Liebe; keine, die sich einmischte; keine, die sich hineinziehen ließ und der Gefahr aussetzte, ergriffen und festgehalten zu werden.
    Es war dieselbe distanzierte Art zu lieben, die er Heike entgegenbrachte. Er wußte, wie sehr er sie dadurch verletzte. Trotzdem gelang es ihm nicht, aus diesem Käfig auszubrechen. Es war zu wenig da, was hätte ausbrechen können.
    Das Wollen und Denken, der innere Antrieb eben: er war mit Monrepos verhaftet. Dort existierte er auf die ihm gemäße Weise und war erfolgreich damit. Das ließ sich auch draußen, wo es doch nur Schmerz und Ratlosigkeit erzeugte, nicht verwischen. Schon der Versuch hätte ihn für den besonderen Dienst, den er versah, untauglich gemacht. Und es gab nichts, was Gundelach mehr fürchtete.
    Das Priestertum der Macht vertrug offenbar keine engeren Bindungen. Es gehörte wenig Beobachtungsgabe dazu festzustellen, daß es Oskar Specht und Tom Wien er nicht anders erging. Wenn sie erzählten, daß sie nachts bei der Heimkehr nur vom Hund freudig begrüßt wurden, war die brüchige Lustigkeit ihrer Stimmen nicht zu überhören.
    Dennoch: zu Weihnachten, als er mit Fieber zu Bett lag, nahm Gundelach sich vor, wenigstens etwas mehr Anteilnahme auf seine Familie zu verwenden. Das, immerhin, sollte doch möglich sein, ohne sich deshalb gleich von der politischen Bühne abmelden zu müssen. Einfach ein bißchen mehr Interesse zeigen, mehr Fantasie entwickeln, mal wieder was unternehmen.
    Weihnachten ist eine gute Zeit für solche Vorsätze. Und weil er es nicht geschafft hatte, mit Liebe und Sorgfalt ausgewählte Geschenke zu kaufen – sondern nur Mitbringsel der üblichen Sorte, am Dreiundzwanzigsten mit schwerem Kopf und weichen Knien im Kaufhaus zusammengeklaubt –, schrieb er noch schnell einen Gutschein für ein ›tolles Wochenende‹ im Kurhotel Unterstein und legte ihn unter den Weihnachtsbaum.
    Dort blieb der Zettel liegen, bis ihn Benny in die Finger bekam, eifrig und still mit seinen neuen Wachsmalstiften bearbeitete und, vom Ergebnis nicht restlos überzeugt, in buntes Konfetti verwandelte.
    Heike kehrte die Reste schweigend zusammen.
    Dann war der Urlaub vorüber, und Gundelach pünktlich genesen. Erneut galt es, die Koffer zu packen. Sie flogen nach Saudi-Arabien, Kuwait und Ägypten.
    Über zwanzigtausend Mark hatte das silberbeschlagene Gewehr gekostet, das seiner Majestät, König Fahad Bin Abdul Aziz Al Saud, zugedacht war – und nun empfing der Herr sie nicht einmal!
    Dieselben Manieren wie sein Bruder, dachte Gundelach bissig.
    Offiziell war Fahad unabkömmlich, doch jeder in Riyadh wußte, daß Seine Majestät geruhte, auf Falkenjagd in der Wüste zu weilen. Besonders schmerzlich war, daß Postminister Schwarz-Schilling (wenn es wenigstens Außenminister Genscher gewesen wäre!) nur zwei Wochen vorher eine, wie die Deutsche Botschaft eilfertig vermeldete, ›ungewöhnlich lange Audienz‹ bei König Fahad erhalten hatte, in der dieser sein lebhaftes Interesse an einer ›Cooperation on the highest level‹ mit der Bundesrepublik Deutschland bekundet hatte. Sprach’s und entschwand ins feudale Sandleben.
    Was aber tun mit der doppelläufigen Flinte, deren Transport nichts als Scherereien bereitete? Den internationalen Sicherheitsbestimmungen gemäß, mußte sie vor jedem Flug dem Captain ausgehändigt werden, der sie im Cockpit verstaute. Denselben Zirkus auf dem Weg nach Kuwait, nach Kairo und zurück in die Heimat veranstalten zu müssen, hatte etwas

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