Monrepos oder die Kaelte der Macht
›Neue Heimat‹, die als Erwerber nicht direkt in Erscheinung treten wollte, weil sonst die Preise sofort anzogen. Klar. Später erfolgte die Weiterveräußerung an den Gewerkschaftskonzern. Specht, sowohl bei der ›Neuen Heimat‹ als auch bei der ›Projecta‹ engagiert, legte Wert darauf, daß die ›Projecta‹ der ›Neuen Heimat‹ nur Zinsen und Bearbeitungsprovision in Rechnung stellte. Als er erfuhr, daß sie darüber hinaus erhebliche Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter vornahm, verzichtete er auf seinen Anteil und schied aus.
Saubere Sache: Gehalt von der ›Neuen Heimat‹ und ›Projecta-Gewinn‹ geht zusammen nicht.
Oder die Verbindung zur städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die Specht als rühriger Bürgermeister gegründet hatte. Weder als ›Projecta‹-Gesellschafter noch als Vorstandsmitglied der ›Neuen Heimat‹ hat er je Grundstücke von seiner früheren Wohnungsbaugesellschaft erworben.
Glasklare Trennung: Auch während der Hamburger Vorstandstätigkeit bei der ›Neuen Heimat‹ hat Specht mit der ›Projecta‹ kein neues Geschäft mehr getätigt, nur noch laufende Verpflichtungen abgewickelt, obwohl er da bei der ›Projecta‹ schon ausgeschieden war.
Überkorrekt, beinahe. Und als er sich 1974 entschloß, dem Gewerkschaftskonzern zugunsten der Politik den Rücken zu kehren, verlangte er nicht mal eine Abfindung; dabei wäre sein Vertrag noch bis Ende 1977 gelaufen.
Wo gibt’s das sonst noch!
Wahrscheinlich war es gerade die Fugenlosigkeit dieser Beweisführung, die Journalisten immer wieder zu Recherchen über Spechts berufliche Aufstiegsperiode anstachelte. Das ewige sich-rechtzeitig-gelöst-Haben ging ihnen auf die Nerven. Seine Aussage, finanzielle Vorteile, die ihm eigentlich zugestanden hätten, wieder und wieder verschmäht zu haben, widerstritt gewöhnlichem menschlichen Empfinden so sehr, daß nicht wenige sich fragten, ob hinter so viel Edelmut die traumwandlerische Sicherheit eines Glückskinds oder die furchterregende Cleverness eines Glücksritters zu suchen sei.
Denkbar schien beides; sicher war nichts. Deshalb wurde oft spekuliert, doch selten etwas geschrieben. Nur wenn man es auf irgendeine andere Geschichte draufpacken konnte, fielen ein paar vorsichtige Zeilen über Spechts außerparlamentarische Geschäftstüchtigkeit ab. Gundelach verstand die Nervosität, die sich dann ausbreitete, nicht. Wenn doch alles in Ordnung war?
Trotzdem legte er sich einen Handordner an, in dem er Spechts privatwirtschaftliche Ein- und Ausstiege und die jeweiligen Begründungen, wie sie offizieller Lesart entsprachen, dokumentierte. Für alle Fälle, und weil es ja nun noch mehr als früher zu seinen Aufgaben gehörte, wachsam zu sein und auf das Knacken im Unterholz zu horchen. Auch wollte er in diesen Dingen nicht stärker von Gustav Kalterer abhängig werden als unbedingt nötig.
Kalterer war jetzt, als Mitglied der Grundsatzabteilung, formal Gundelachs Mitarbeiter. Er nahm an Abteilungsbesprechungen teil und hielt bei Reise- und Urlaubsanträgen den Dienstweg korrekt ein. Doch im übrigen ließ er sich so wenig in die Karten gucken wie zuvor.
Von Specht war in dieser Hinsicht keine Hilfe zu erwarten. Warum auch? Gundelach war, wie er es gewollt hatte, in eine Führungsposition aufgerückt. Nun mußte er damit klarkommen. Auch mit Altlasten, Anfeindungen und Intrigen.
Das ist Ihr Problem, hätte er achselzuckend gesagt, wenn Gundelach ihn gefragt hätte. Oder auch: Wem es in der Küche zu heiß wird, der muß aus der Küche rausgehen.
Darum fragte Gundelach erst gar nicht, sondern nahm sich vor, soviel wie möglich selbst zu kochen. Zum Selbstschutz, nicht des Genusses wegen. Der war, bei realistischer Betrachtung, kaum höher zu veranschlagen als der Verzehr verkochter Nudeln.
Dennoch: es war eine produktive Zeit, dieses katastrophengeschüttelte, am Horizont wetterleuchtende erste Halbjahr 1986. Themenkreise aus Vergangenheit und Zukunft überschnitten sich wie Wellenringe. An den Schnittstellen entstanden neue, die Fantasie anregende Muster.
Aus dem letzten ›Zukunftskongreß‹ über das Verhältnis von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zueinander war die Idee überkommen, den Wasserverbrauch zu verteuern und das Geld den Landwirten für eine nitratarme, ökologisch verträgliche Bodenbewirtschaftung zur Verfügung zu stellen. Fast alle waren dagegen: Industrie, Bauernverbände, Kommunen, Bürger.
Also mußte im Kern etwas dran sein an dem
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