Monrepos oder die Kaelte der Macht
Landschaft paßten. Hätte Renz weiter nach einem baldigen Baubeginn in Weihl verlangt, wäre er bei seinen Kollegen, die in der öffentlichen Diskussion mit dem Rücken an der Wand standen, untendurch gewesen.
Specht ergriff die Chance unverzüglich und konnte acht Wochen nach dem Unglück in Übereinstimmung mit allen Energieversorgungsunternehmen bekanntgeben, daß das Land in den nächsten zehn Jahren kein neues Kernkraftwerk brauche. Damit hatte er die leidige Angelegenheit endgültig vom Hals.
Schau nicht zurück … Andreas Kurz, der wie ein Partisan nach der Brückensprengung ins unerreichbare Hinterland zurückgekehrte Ex-Gefährte, hatte gut reden. Das Alte, Unabgeschlossene schien wie Moos in die Ritzen eines Gemäuers einzudringen, hinter dem man den gesellschaftlichen Übergang in die neunziger Jahre plante. Zwar wurde der graue Stein des Schlosses von Handwerkern mit Sandstrahlgebläsen entschlackt und in den hellen, gelblich-rötlichen Urzustand zurückversetzt, in dem er, als das Jahrhundert noch jung gewesen, die Dächer der Hauptstadt frisch und provozierend überglänzt hatte.
Doch so einfach ging es mit der politischen Entschlackung nicht. Nicht immer treibt eine apokalyptische Wolke von Osten her und setzt neue Maßstäbe.
Gegen Jean Tramp, den langjährigen Freund und Reisegefährten Spechts, lief seit Ende 1985 ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren. Subventionsbetrug und Bestechung bei Grundstücksgeschäften, lautete der Anfangsverdacht. Specht erklärte erregt im Kabinett jeden für verrückt, der glaube, daß ein Unternehmer, welcher Milliardenumsätze mache und jährlich Millionengewinne nach Steuern verbuche, es nötig hätte, wegen zehn Millionen Subventionen krumme Touren zu reiten.
Alle sahen das so, auch der Justizminister. Aber die Staatsanwälte … Man wußte es ja inzwischen.
Bald, sagte Specht, sind wir in diesem Staat so weit, daß jeder, der noch was bewegen will, mit einem Bein im Gefängnis steht. Unerträglich ist das. Hört euch doch mal bei den Unternehmern um. Die Stimmung war noch nie so schlecht. Und dann noch die Bonner Politik!
Dr. Olbrich war bereit, einiges an Schuldzuweisungen auf sich zu laden. Aber doch nicht alles.
Leut, sagte er, ich hab das, was jetzt passiert, nit erfunden. Das einzige, was ich tun kann isch, im Rahmen von Dienstgesprächen mit den zuständigen Beamten die Frage zu klären, ob es im Einzelfall wirklich zur Anklage kommen muß oder ob sich die Sache nit mit einem Strafbefehl aus der Welt schaffen läßt. Nur – sagte Dr. Olbrich und hob beschwörend beide Zeigefinger – dann müssen eben auch die Herren Unternehmer mitspielen und dürfen nit von vornherein erklären, daß sies auf jeden Fall auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen wollen, um möglichst viele Politiker und am Ende gar den Ministerpräsidenten als Zeugen vorführen zu können. Das isch dann freilich nit mir oder den Staatsanwälten anzulasten!
Wenn der Justizminister aufgeregt war, sagte er ›isch‹ und ›nit‹. Das klang, fand Gundelach, auf rührende Weise hilflos.
Lästige Staatsanwälte, murrende Abgeordnete, renitente Unternehmer … Selbst Kahlein, der passionierte Zeitungsleser, war neuerdings wieder im Gespräch. Manche meinten, er, der von der Politik enttäuschte Firmeninhaber, werde aus seiner Kenntnis als CDU-Präsidiumsmitglied der siebziger Jahre in der Parteispendenaffaire noch etliches nach außen tragen, was die Presse interessieren und die zur Schau gestellte Ahnungslosigkeit gewisser Politiker erschüttern dürfte …
Überhaupt, die Presse. Sie zeigte deutliche Abstumpfungserscheinungen gegen Erfolgsmeldungen aus dem Olymp. Daß das Land überall ›spitze‹ und die Politik Spechts ›glasklar‹ sei, wie Tom Wiener somnambulisch wiederholte, war hinlänglich bekannt und oft genug zitiert. Weitere Spitzenmeldungen hatten den Neuigkeitswert eines bayerischen Jodlers.
Spechts privatwirtschaftliche Aktivitäten in der Frühzeit seiner politischen Karriere reizten da schon mehr. Immer wieder mal tauchten überraschende Querverbindungen auf.
Wie jetzt bei Jean Tramp. Reporter entdeckten, daß Specht in jungen Jahren Mitglied im Beirat seines Unternehmens gewesen war.
Na und? Das lag lang zurück und mußte nach den damals gültigen Landtagsregeln nicht offengelegt werden.
Oder die Sache mit Spechts ›Projecta‹-Beteiligung zwischen 1970 und 1972. Uralte Kamellen. Die ›Projecta‹ kaufte treuhänderisch Grundstücke für die
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