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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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die Beamten, den praktischen die Politiker. Aufbauend auf einem Situationsbericht, in dem alle wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Kennziffern der Region aufgelistet waren, erhielt jedes Kabinettsmitglied eine Art Pflichtenheft für Gespräche und Besuche vor Ort. Bevor die Minister und Staatssekretäre ihre Inspektionsreisen antraten, verkündete Regierungssprecher Wiener das Programm. Wenn sie pro Tag drei bis vier Termine absolvierten, kamen gut und gerne fünfzig Visitationen zusammen. Zum krönenden Abschluß fand dann, im Zentrum des politisch durchpflügten Terrains, eine Kabinettssitzung unter Leitung des Ministerpräsidenten statt, auf der alle regionalen Probleme erörtert und konkrete Beschlüsse zur Abhilfe gefaßt wurden. In einer nachbereitenden Aktion hatten die Ressortchefs zwei bis drei Monate später an Ort und Stelle zu überprüfen, wie es um die Realisierung ihrer Zusagen bestellt war.
    ›Regierung auf Rädern‹ nannte Gundelach dieses Konzept. Andere sprachen respektlos von Ministerverschickung. Bei insgesamt zehn Regionen und einer durchschnittlichen ›Bearbeitungsdauer‹ von drei bis vier Wochen konnte man, die Ferienzeiten ausgenommen, während des ganzen Jahres 1987 öffentlichkeitswirksam unterwegs sein. Natürlich handelte es sich in den meisten Fällen um Termine, die auch ohne das neue Konzept stattgefunden hätten. Aber jetzt galten sie als Teil einer Gesamtstrategie, mit der das Land politisch vermessen wurde. Das hinterließ einen ungleich nachhaltigeren Eindruck.
    Das Fundament für die nächste Landtagswahl war damit lange vor dem eigentlichen Wahlkampf und früher, als die Opposition es ahnte, gelegt. Und die Staatskanzlei bekam ein einzigartiges Kontrollinstrument an die Hand: In regelmäßigen Abständen mußten die Ministerien fortan über ihre Arbeit berichten und die Terminpläne ihrer Chefs, zum Zwecke der Koordinierung, offenlegen.
    Oskar Specht war von dieser Strategie sofort angetan. Sie enthielt genügend Elemente, die ihn reizen konnten: kontinuierliche öffentliche Resonanz, Minister und Staatssekretäre, die wie eine Vorhut durchs Land preschten und ihm Meldung erstatteten, ein Pressesprecher, der handwerklich saubere Basisarbeit leisten mußte, eine Opposition, die kalt erwischt und eine CDU-Fraktion, deren eigene Wahlkreisarbeit publizistisch in den Hintergrund gedrängt wurde.
    Nur in einem Fall verweigerte er seine Zustimmung. Die zehnte und letzte Regionalbereisung sollte dem Ballungsraum rund um die Landeshauptstadt gelten. Gundelach hatte vorgesehen, aus diesem Anlaß eine Stadt-Umland-Konferenz ins Leben zu rufen. Sie sollte Lösungen für einen besseren wirtschaftlichen Interessenausgleich der benachbarten Kommunen erarbeiten. Damit, so sein Kalkül, hätte man zugleich den ersten inhaltlichen Schwerpunkt für die nächste Legislaturperiode setzen können.
    Specht bestritt die Notwendigkeit nicht, den Finanzproblemen der Hauptstadt und der industriellen Abhängigkeit ihres dichtbesiedelten Umfelds mehr Aufmerksamkeit widmen zu sollen. Aber sein Verhältnis zum Oberbürgermeister war seit der geplatzten Bankenfusion getrübt. Umgekehrt zeigte sich der Rathauschef gegen Spechts kulturpolitische Einmischungen zunehmend dünnhäutig. Beide konnten und wollten derzeit nicht miteinander.
    Es ist zu früh, sagte Specht. Später. Das machen wir später.
    Das Kabinett akzeptierte die Planungen lustlos, aber ohne ernsthafte Gegenwehr. Müller-Prellwitz knurrte ein wenig, doch meinte Gundelach, noch aus seinem Knurren einen Unterton professioneller Anerkennung herauszuhören. Möglich, daß sich der Kultusminister an die Kreisbereisungen erinnert fühlte, die unter seiner Regie erfolgreich inszeniert worden waren. Oder nahm er, wie seine Kollegen auch, befriedigt zur Kenntnis, daß die Wahlkampflokomotive Specht nun wieder mehr auf inländischen Gleisen unter Dampf stehen sollte. Das war schon ein Stück politisches Landfahrertum wert.
    Gleichsam gegenläufig zur politisch angeratenen Wiederentdeckung heimatlicher Parzellen machte sich Spechts Buch auf den Weg in die weite Welt. Freilich: anders als daheim, war es ein schwieriges Geschäft. ›Towards the Future‹ erschien in New York, doch der amerikanische Markt reagierte nicht so, als hätte er auf die Visionen eines deutschen Governors dringlich gewartet. Mit Hilfe der Tendvall-Stiftung, die seit kurzem über einen transatlantischen Ableger verfügte, und Spechts Verbindungen gelang es immerhin, in

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