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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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dem erschrockenen Gundelach knapp. Wer sich auf dieses Feld begibt, muß wissen, was er tut.
    In den folgenden Monaten fehlte Wiener des öfteren. Saß er im Büro, telefonierte er noch häufiger als sonst oder las den Wirtschafts- und Börsenteil überregionaler Zeitungen. Das Pressegeschäft versah er routiniert, aber lustlos.
    Im Herbst erschien die Specht-Biografie des cleveren Autorengespanns. Sie erregte auch deshalb Aufsehen, weil die Rechercheure viele Details über eine zerbrochene Aufstiegsgemeinschaft zusammengetragen hatten. Kurz darauf begannen die Vorbereitungen zum fünfzigsten Geburtstag des Ministerpräsidenten. Wrangels tausendseitige Festschrift für Oskar Specht kam pünktlich in die Buchläden. Von Helmut Kohl bis Franz Josef Strauß und Alfred Herrhausen waren alle, die er um Mitwirkung gebeten hatte, mit lobenden Beiträgen vertreten. Wrangel hatte wie immer ganze Arbeit geleistet. Im September erhielt Gundelach seine Ernennungsurkunde zum Ministerialdirigenten. Wenig später holte Specht seinen früheren Persönlichen Referenten Mendel, den er im Tausch gegen Zwiesel strafversetzt hatte, wieder in die Staatskanzlei zurück. Er brauche Mendel, um die Fülle internationaler Kontakte und die Reisen besser als bisher koordinieren zu können, erklärte er den konsternierten Abteilungsleitern. Früher war das Wieners Aufgabe gewesen. Jetzt hatte Specht ihn nicht mal mehr befragt.
    An einem regnerischen Oktobertag rief Tom Wiener Gundelach wiederum zu sich. Sein Schreibtisch war aufgeräumt wie immer in letzter Zeit.
    Es ist soweit, sagte er. Ich gehe.
    Er stand an der Glastür, die zu einem Balkon führte, als beobachte er das Aufspritzen der Tropfen in den Pfützen.
    Ich werde Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei Daimler Benz, sagte er, ohne sich umzudrehen. Für den ganzen Konzern, weltweit. Eine fantastische Aufgabe, sage ich Ihnen, eine unglaubliche Herausforderung. Gleich unterhalb der Vorstandsebene. Ich hab mit Edzard Reuter selbst verhandelt und werde ihm direkt zuarbeiten. Und von dem Gehalt können Sie bloß träumen … Als ich meinem Sohn davon erzählte und ihn fragte, ob ich’s machen soll, wissen Sie, was er gesagt hat? Papa, wat frachste da noch, hat er gesagt.
    Eine Pause trat ein. Wieners Aufmerksamkeit galt noch immer dem Regen.
    Glückwunsch, sagte Gundelach schließlich. Und der MP weiß Bescheid?
    Der MP weiß Bescheid, ja …
    Mit einem abrupt einsetzenden und ebenso endenden Schwung drehte sich der Staatssekretär um.
    Wenn er ein Wort gesagt hätte, flüsterte er. Wenn er nur ein Wort gesagt hätte! Nur das Wort: Bitte! Ich wäre geblieben, ich wäre in alle Ewigkeit geblieben.
    Gundelach konnte Wieners verletztem Blick nicht standhalten. Er schloß die Augen und sah Spechts verhärtetes Gesicht, den scharfen, abweisenden Mund, die durchschnittene Stirnmauer, die keinem Gefühl erlaubte, sich ihr zu nähern.
    Wahrscheinlich hatte Specht gesagt: Du mußt wissen, was du tust, und mit den Schultern gezuckt.
    Erst als ihm schwindlig wurde, öffnete er die Augen wieder. Wiener saß in seinem Sessel und tat geschäftig.
    Ich muß mich jetzt natürlich um einen Haufen Kleinkram kümmern, sagte er. Die ganzen Fragen der Überleitung aus dem öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft und so. Trotzdem werde ich meinen Job hier bis zum letzten Tag machen, ganz klar. Deshalb darf auch noch nichts nach außen dringen. Einfach business as usual, Pressekonferenzen, die Regionalbereisungen, all der Scheiß. So ist’s mit dem MP auch abgesprochen. Sie halten absolut dicht, ja?
    Natürlich, sagte Gundelach. – Wann gehen Sie?
    Zum Jahresende. Anfang Dezember geben wir’s bekannt, dann nehm ich meinen restlichen Urlaub, und das war’s dann.
    Träumer, dachte Gundelach. In spätestens einer Woche weiß es alle Welt.
    Da Wiener zum Telefonhörer griff, fühlte er sich entlassen. Dennoch zögerte er, sich zu verabschieden.
    Es tut mir wirklich leid, sagte er. Wir werden Sie vermissen. Und Specht –.
    Jaja, schon gut, sagte Wiener. Ich bin etwas in Eile. Übrigens: Über meine Nachfolge haben wir nicht gesprochen.
    Er macht’s einem leicht, dachte Gundelach. Und wußte nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte.
    Nach wenigen Tagen stand die Neuigkeit in den Zeitungen. Tenor der Kommentierung: Nun werde es für Oskar Specht noch schwerer, die nächsten Wahlen zu gewinnen. Und es werde einsam um ihn, nachdem sich der letzte Freund aus seiner unmittelbaren Umgebung zurückziehe. Tom

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