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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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neue, grau-in-graue Periode des Meisters mit einem hübschen kulturpessimistischen Passepartout zu unterlegen, so wie man es, als die Grundstimmung noch rosa gewesen, mit erfolgsgesättigten Hurrameldungen gehalten hatte.
    Der Finanzminister erhob homerische Klagelieder über die Ungerechtigkeit des Länderfinanzausgleichs, der Kultusminister gefiel mit psychosozialen Studien über die Erziehungsunfähigkeit der Eltern, der Innenminister erging sich in apokalyptischen Visionen angesichts des wieder wachsenden Zustroms von Asylbewerbern, der Justizminister brauchte nur auf die laufenden Parteispendenverfahren zu verweisen … Eine endzeitlich getönte Färbung zeichnete nicht nur das Laub im Park von Monrepos.
    Wollte Specht seinem ins kollektive Ungemach behaglich eingebetteten Weltschmerz besonders frönen, kokettierte er auch schon mal mit der Möglichkeit, zurückzutreten und ›was ganz Neues‹ zu beginnen.
    Man muß sich das mal vorstellen, sagte er dann elegisch. Ich bin noch nicht fünfzig und nach dem Johannes Rau schon der dienstälteste Ministerpräsident … Doch, doch – Strauß kam nach mir. Wenn ich heute zurücktrete, krieg ich fünfundsiebzig Prozent meines Gehalts. Ich arbeite also für fünfundzwanzig Prozent, und wenn man das nachrechnet ist’s weniger wie ein kleiner Regierungsrat verdient. Da darfst du eigentlich gar nicht drüber nachdenken …
    Irgendwo wird man müde, bestätigte Müller-Prellwitz, der sich zur Unterstreichung seines erschlafften Zustands noch breiter auf den Kabinettstisch fläzte, als er das ohnehin zu tun pflegte. Schau dir demgegenüber die Gehälter in der Wirtschaft an … Und das Schlimmste ist, daß du dich für das bißchen, was du kriegst, auch noch pausenlos öffentlich entschuldigen mußt. Politik ist bald nur noch für Oberstudienräte interessant – und so sieht sie dann auch aus!
    Genau das ist der Punkt, nickte Specht. Die guten Leute wandern aus der Politik ab, und was nachkommt, kannst du vergessen. Sieh dir doch bloß an, was in unserer Fraktion – und bei den anderen ist’s ja noch schlimmer – los ist. Da weißt du doch schon alles. Und Deusel ist halt auch nicht der Mann, der Leute mitreißen und motivieren kann, junge gleich gar nicht. Wenn du heut wirklich noch was gestalten willst, mußt du zu einer internationalen Organisation gehen, am besten außerhalb Europas, nach Südostasien …
    Wir bitten, sagte Finanzminister Dr. Kramer mit feinem Lächeln und ebensolchem Gespür für den auffordernden Charakter bestimmter Stichworte, wir bitten den Ministerpräsidenten aber doch herzlich, etwaige Abwanderungsgelüste noch ein Weilchen zu verschieben. Er wird bei uns nämlich dringender gebraucht als in Asien!
    Dann schmunzelte Specht versonnen und ein wenig spöttisch, und die Runde war froh, ihn schmunzeln zu sehen.
    Die stumm beiwohnende Beamtenkulisse hingegen zeigte wenig Neigung, Spechts selbstverliebten Mollgesängen nachzupfeifen. Anders als ihr dem Alltag überhobener Vormann wußte sie genau, daß jedes aus der Zentrale nach außen dringende Krisensymptom zu einer Schwächung ihrer Position gegenüber den Ministerien führte. Das solidarische Mitleiden der Minister war in ihren Augen lediglich eine trickreiche Variante des immerwährenden Bestrebens der Ressorts, den eigenen Spielraum gegenüber der Staatskanzlei auszubauen. Und wer hätte den Mechanismus dafür besser gekannt als der angeblich so müde Kultusminister oder der die Geschicke des Finanzministeriums lenkende Günter Bertsch!
    Auch Gundelach machte sich Sorgen. Gewohnt, von einer Spechtidee zur nächsten gehetzt zu werden, verunsicherte ihn das Ausbleiben genialisch-spontaner Entwürfe mehr als jeder noch so krause Gedankensprung, dessen behutsames Abfedern Stand der staatskanzleilichen Umsetzungstechnik war. Als Leiter der Grundsatzabteilung und Spechts Vertrauter fühlte er sich gefordert, der aktuellen Formschwäche des Ministerpräsidenten zu begegnen.
    Das darf ja wohl nicht wahr sein, dachte er, daß jetzt, anderthalb Jahre vor der Landtagswahl, bei Specht der große Frust ausbricht!
    Also ging er mit seiner Abteilung in Klausur, und als sie die Abgeschiedenheit ihres Tagungsorts, eines Waldhotels, verließen, hatten sie einen Fahrplan ausgearbeitet, um den Ministerpräsidenten wieder mehr auf die Probleme des Landes zu fixieren.
    Der Grundgedanke war einfach. Alle Regionen des Landes sollten einer ›Strukturanalyse‹ unterzogen werden. Den theoretischen Teil lieferten

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