Monrepos oder die Kaelte der Macht
selbst bei sozialdemokratischen Wählern. Das blasen wir auf, bundesweit. Sechs Wochen vorm Wahltag kommt dann der große Doppelschlag: Erst ein zweitägiger Managergipfel auf Monrepos, mit Alfred Herrhausen, Edzard Reuter, Mark Wössner von Bertelsmann, Gert Lorenz von Philipps, Helmut Maucher von Nestle, Rainer Gut von der Schweizerischen Kreditanstalt und einem Dutzend weiterer Topleute. Hartmut Eckert von McArthur organisiert das Treffen zusammen mit uns. Wird eine Riesensache mit internationaler Resonanz, das verspreche ich euch. Denn die Besetzung ist kanzlerlike. Am Ende lassen wir eine gemeinsame Erklärung verabschieden, die ›Monrepos-Deklaration europäischer Wirtschaftsführer zur Zukunft Europas‹, das ist dann zugleich der Eckpfeiler unseres künftigen Wirtschaftsprogramms. Und kaum ist der ökonomische Gipfel vorüber, setzen wir uns ins Flugzeug und fliegen mit einer hochkarätigen Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation nach Moskau und Leningrad, dazu ein Sack voll Chefredakteure, treffen dort die Spitzen der Sowjetunion und Rußlands, und zum krönenden Abschluß parliert Specht im Kreml mit Gorbatschow. Und danach möcht ich sehen, was von der vielgerühmten Wirtschaftskompetenz des Herrn Körner in der Öffentlichkeit noch übrig geblieben ist.
Klingt gut und schlüssig. Bornemann guckt auch ganz beeindruckt. Ist ein netter Typ. Offen, manchmal fast ein bißchen träumerisch. Hoffentlich bringt seine Agentur, was wir uns von ihr versprechen. Auch so ein Risikofaktor: meine Präferenz für eine neue Werbeagentur mit modernem Konzept. Willi Pörthner pumpt schon wieder vor lauter Ungeduld. Und Kalterer – keine Miene. Typisch. Zum Kotzen.
Dankeschön, Bernhard. Trotzdem muß ich dir sagen, daß unsere Leute draußen langsam nervös werden, weil der Körner überall gut ankommt, vor allem bei den Weibern. Und die SPD-Ortsverbände engagieren sich für den viel stärker, als sie es zuletzt für Meppens getan haben. Das merkst du überall, da ist ein Ruck durch die Partei gegangen. Die Roten sind aufgewacht, und unsere wissen nicht so recht, wie sie ihren Vormann packen sollen –.
Das ist doch deine Aufgabe, Willi! Da muß der Landesgeschäftsführer den Kreisgeschäftsführern halt so lange Feuer unterm Hintern machen, bis sie verkohlen oder zu kämpfen anfangen!
Mein lieber Gustav Kalterer, lehre du mich nicht, wie man mit der Partei umzugehen hat, ja! Wer ist denn jeden Samstag und Sonntag im Land unterwegs –.
Würdet ihr bitte eure Streitereien beenden?
Na, das muß ich jetzt schon noch sagen dürfen. Ich laß mir hier doch nix anhängen! Und wenn wir schon dabei sind: Wie die Parteispendensache gerade läuft, das ist ja wohl das letzte. Zwei Strafbefehle und zwei Geldauflagen innerhalb weniger Wochen, im nächsten Monat die Hauptverhandlung gegen Eberswalde, übernächsten Monat die Hauptverhandlung gegen Tramp wegen Subventionsbetrug – das macht Stimmung bei den Unternehmern! Da kannst noch eher mit dem Klingelbeutel in der Kirche rumgehen als Spenden einsammeln. Und die jungen Leut sagen, ist doch alles ein und derselbe Filz, steckt’s in den Sack und haut drauf – die lachen dich doch aus, wennst mit am Aufkleber von der Jungen Union kommst! So schaut’s aus! Ich denk, du telefonierst dauernd mit deinen Freunden von der Justiz, Gustav – ich jedenfalls merk nix davon, und die Partei auch nicht –.
Ich sagte, es ist Schluß jetzt! Herr Bornemann, wir sollten heute noch das Logo, die Plakate und den Terminplan für die MP-Spots besprechen. Die Zeit drängt.
Widerlich, das Gekeife. Und doch auch wieder schön. Erfrischend, wie Pörthner Kalterer eins eingeschenkt hat! Ich wollte, ich könnt mich auch so vergessen. Einfach lospoltern, ohne Rücksicht auf die Folgen. Und Willi hat völlig recht, gegen Körner ist uns noch nichts Gescheites eingefallen. Weil wir ihn offiziell ja gar nicht zur Kenntnis nehmen, um ihn nicht aufzuwerten. Das ist taktisch richtig, aber nur für begrenzte Zeit. Muß mit Specht darüber reden. Die Schonfrist muß ablaufen, bevor die Partei unruhig wird. Mobilisieren heißt polemisieren. Körner, der Bonn-Import? Zu kompliziert. Außerdem verbinden viele mit Bonn immer noch was Positives, Respektheischendes. Trotz Koalitionsquerelen und miesem Kohl-Image. Also doch das Schreckgespenst einer rotgrünen Koalition an die Wand malen? Specht hat dafür den genialen Begriff Tomatenkoalition gefunden: weiche Rote und unreife Grüne. Perfekt. Nur glauben die
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