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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Bourbonenkönig, der ein Land regiert, das einmal ein Weltreich gewesen ist und das strengste höfische Protokoll hatte, das die Welt kannte! Und dann haben wir über Gott und die Welt geredet, über Europa, den Jäger 90 – damit kannst du nichts mehr anfangen, zum Glück – und die verschiedenen Spurbreiten spanischer und französischer Eisenbahnen, am längsten aber über die Olympischen Spiele in Barcelona.
    Barcelona schauen wir uns auch an. Das Stadion und das große Tor und die fantastischen modernen Architekturen. Und natürlich den Palast der ›Generalitat‹, in dem wir mit dem katalanischen Präsidenten Jordi Pujol konferiert haben. Ich wette, er ist immer noch Präsident, wenn wir kommen, er ist unverwüstlich. Und immer noch wird nirgendwo eine spanische Flagge zu sehen sein, nur das aufreizende katalanische Rot-Gold. Wie auch hier in der Casa dels Canonges, der Residenz, in der ich wach liege bei offenem Fenster und dir gerne eine Orange stehlen würde.
    Aus dem Palast heraus, mein Sohn. Mein ferner Sohn.
    Sie hatten vereinbart, mindestens einmal pro Woche miteinander zu telefonieren und sich, wenn möglich, in monatlichen Abständen zu treffen. Es klappte recht gut. Heike war sehr gewissenhaft und hielt den Turnus fast immer ein. Eher kam bei Gundelach mal etwas dazwischen, was er dann, obwohl er es nicht hätte tun müssen, umständlich erklärte.
    Es lag ihm viel daran, seine Frau über das, was er tat, auf dem laufenden zu halten. Wahrscheinlich wußte sie jetzt in Hamburg-Uhlenhorst besser über seinen Alltag Bescheid als ehedem.
    Benny schien die Trennung gut zu verkraften, mit jener früh erwachsenen Ernsthaftigkeit, die ihm eigen war. Sie hatten ihm gesagt, daß sein Vater in nächster Zeit noch beschäftigter sein werde als sonst, daß er viel reisen und wieder ein Buch schreiben müsse. Da wäre es besser, ihn mal eine Weile ganz in Ruhe zu lassen und lieber, wenn man sich dann sähe, richtig Zeit füreinander zu haben.
    Das nahm er hin und fragte nicht weiter. Sagte jedenfalls Heike.
    Auch mit der neuen Schule, berichtete sie, gäbe es keine Probleme. Alle seien riesig nett zu ihm, und er werde nächstes Jahr bestimmt eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen. Und die Großstadt gefalle ihm ganz toll, vor allem der Hafen. Sie selbst, sagte Heike, werde sich in einigen Monaten nach einer Halbtagsstelle als Sekretärin umschauen. Das sei hier oben gar kein Problem.
    Gundelach war es nicht recht. Aber rücksichts- und verständnisvoll, wie ihrer beider Umgangston neuerdings war, verbot er sich jede Kritik.
    Entgegen seiner ursprünglichen Absicht informierte Gundelach Specht über die neue Entwicklung nicht. Es war ja noch nichts Endgültiges. Und außerdem fürchtete er, Specht werde, wie nach der familiären Trennung eines anderen Mitarbeiters, auch über ihn sagen: Der Gundelach wirkt jetzt wie befreit. Arbeitet viel konzentrierter. Und dabei an das Europabuch denken, zu dem bislang wenig mehr als eine umfangreiche Stoffsammlung vorlag.
    Der soll nicht aus allem Vorteile ziehen, dachte Gundelach und schwieg. Ende Januar 1989 flog er mit Specht nach Davos zum ›European Management Forum‹. Specht hielt im Kongreßhaus einen Vortrag vor mittelständischen Unternehmern. Gundelach sonnte sich derweil auf der Terrasse des Hotels Belvedere und trank einen Cappuccino. Neben ihm saß der Redakteur einer Nachrichtenagentur, den er seit Breisingers Zeiten kannte.
    Hier läßt sich’s leben, sagte Brenske, der Redakteur, und zog genießerisch an seiner Pfeife. Schade, daß der Oskar jetzt schaffen muß. Worüber redet er eigentlich?
    Gundelach badete das Gesicht im gleißenden Licht und zuckte mit den Schultern.
    Keine Ahnung, er spricht ohne Manuskript. Ich nehm an, das übliche.
    Weißt du was, sagte Brenske, laß uns ihm eine Freude machen. Wir produzieren jetzt unter seinem Namen eine fulminante Meldung über internationale Wirtschaftspolitik. Das hast du doch drauf, oder?
    Klar, sagte Gundelach. Wie du’s brauchst.
    Brenske zog seinen Stenoblock aus der Pfeifentasche.
    Schieß los, sagte er.
    Nach einer halben Stunde hatten sie, unter viel Gelächter, einen mehrteiligen Bericht beisammen, der den Bogen von der europäischen Wettbewerbs- bis zur internationalen Währungspolitik spannte. Einige Sätze legten sie Specht in wörtlicher Rede in den Mund.
    Das macht’s lebendiger, sagte der Redakteur. Mann, es klingt wirklich gut. Ich geb’s nachher gleich nach Hause durch.
    Er stopfte die Pfeife

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