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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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vielleicht noch hätte umstimmen können, war zu einer fremden Sprache geworden, die er nicht mehr beherrschte.
    So blieb er einfach sitzen und wartete darauf, daß sich das Urteil vollzöge.
    Thron und Staub
    Es ist gut, zu reisen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut es ist.
    Zum Beispiel jetzt. Was versäumst du in diesen Tagen zu Hause? Willst du etwa am Fenster stehen und grämlich dem Nieselregen zuschauen? Wenn du überhaupt etwas siehst, mein Lieber. Wenn nicht der Novembernebel so zäh und dick durch die Straßen wabert, daß du das Gefühl hast, der letzte Lebende auf einer Insel zu sein. Oder nur die Umrisse eines Baumes siehst, der seine müden entlaubten Zweige nach dir ausstreckt, als wollte er dich mit hinabziehen in seine kalte Todesangst. Stell dir vor, wie der Schleim der Erinnerung auf jedem Ast glänzt. Wie jedes Geräusch eines nahenden Autos dir mitten ins Herz fährt, als würdest du gerufen und hättest keine Stimme, Antwort zu schreien.
    Dagegen hier! Gibt es eine mildere Wärme, ein Leben, das eleganter und heiterer wäre? Wie wir durch Lissabon gefahren sind und das prächtige weiße Denkmal der Entdeckungen heiter umrundet haben, innehaltend und übers Meer blickend wie die Armada der steinernen Seefahrer, ein Meer, das schon nach Amerika duftet und dich leichten Schrittes hinauszieht auf den goldenen Steg, den die untergehende Sonne auslegt.
    Oder wie wir auf der breiten Balustrade des Palácio de Belém mit den Augen durch den Park gewandert sind und den launigen Erklärungen von Mario Soares gelauscht haben, ein Glas Champagner in der Hand, bevor der Staatspräsident uns zum Essen an einen, ich schwöre es, mit goldenem Besteck gedeckten Tisch im Salon lud. Von dort weiter zum Palacio de Bento des Ministerpräsidenten Cavaco Silva, vorbei am schwelgerischen Barock immer neuer Paläste und Plätze, dann zum Palácio des Necessidades des Außenministers, und in der frühen, taubenblauen Dämmerung, geleitet vom Schattenriß der Palmen, zurück zum Ritz, das leuchtend und still vorm Abendhimmel stand.
    Denk auch an das stolze, den Glanz der Renaissance wie ein Vermächtnis hütende Coimbra, zu dem wir nicht ohne Mühe hinaufgefahren sind, an das Ocker der Erde dieser kargen Zentralregion, in deren Herzen unvermutet die älteste, prächtigste Universität aufsteigt, ein Juwel, ein Wunder, herübergerettet aus dem zwölften Jahrhundert mit einem Bibliothekssaal, desgleichen du nie gesehen hast und nie mehr sehen wirst, der reine zeitenthobene Geist, die vollkommene Schönheit der Gelehrsamkeit, die selbst Specht, den Flüchtigen, angerührt und stumm gemacht hat. Und stumm, wie versunken, sind wir in den Garten hinausgetreten, der nichts anderes ist als eine Metamorphose des Geistes im filigranen Geäst der Natur.
    Was Benny dazu sagen würde, wenn er wüßte, daß ich hier in einem Palast nächtige, vor dessen Fenster Orangenbäume Früchte tragen? Ich muß es mir merken. Alles muß ich mir merken, um es ihm später erzählen zu können, wenn er alt genug ist, selbst zu bestimmen, wo er leben will. Gewiß wird er reisen wollen, und ich werde ihm zeigen, was ich gesehen habe und sagen, was ich weiß.
    In Madrid werd ich zum Beispiel sagen: Ich war hier schon beim König. Doch, glaub’s mir! Derselbe Juan Carlos, der immer noch regiert, ein bißchen grauer das Haar, wie meins auch, aber immer noch hochgewachsen und schlank und sehr leger. Überhaupt nicht königlich-arrogant. Laß uns hinausfahren zum Schloß La Zarzuela, ich zeig’s dir. Natürlich kommen wir nur bis zum Zaun, vor dem der Posten wacht, aber das macht nichts. Siehst du den Weg, der in Serpentinen den Hügel hinaufführt, vorbei an Korkeichen und Zedern? Dort sind wir gefahren. Rechts und links des Weges äsen Damhirsche und Rehe und wenden nicht mal den Kopf zu dir herüber. Sofia, die Königin, liebt es, Tiere des Waldes im Park zu haben. Sie hatte übrigens gerade Geburtstag, als wir kamen, am 2. November war das, und ihr Mann entschuldigte sie, weil sie an diesem Tag viel um die Ohren hätte. Das hörte sich an, als ob wir unangemeldet bei Lehmanns aufgekreuzt wären und er leicht verlegen gesagt hätte: Meine Frau steht noch in der Küche und backt Kuchen. Wir haben uns in seinem Arbeitszimmer, das mit viel maritimem Krimskrams vollgestopft ist, um den Couchtisch gesetzt, und es fehlte ein Stuhl. Ach je, hat Juan Carlos zu mir gesagt, wären Sie so nett und würden sich aus dem Nebenzimmer einen Stuhl holen? Ein

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