Monrepos oder die Kaelte der Macht
neu und dachte nach.
Das einzige, was mich noch stört, ist der Aufhänger. Vortrag vor Unternehmern … Das ist so nullachtfünfzehn. Hier hält jeder Vorträge. Haben wir nix Besseres?
Naja, sagte Gundelach. Man könnte es auch als Gespräch mit einem Politiker aufziehen. Es laufen ja genügend rum.
Genau! rief Brenske erfreut. Ist nicht der türkische Ministerpräsident Özal in Davos? Den könnte Oskar doch treffen, oder?
Ganz sicher trifft er ihn, sagte Gundelach. Das läßt sich ein Specht doch nicht entgehen. Vielleicht frühstücken sie sogar zusammen.
Wunderbar. Sag mir noch ein paar allgemeine Sätze zu den Handelsbeziehungen mit der Türkei. Ich zieh das nach vorn und häng das andere hintendran.
So erfuhr die Welt von Spechts Gedankenaustausch mit Ministerpräsident Özal.
Abends waren Specht und Gundelach bei einem Firmenchef eingeladen, der in Klosters ein Chalet besaß und als Vorzeigeunternehmer des Landes galt, weil er mit lasergesteuerten Maschinen selbst die japanische Konkurrenz das Fürchten lehrte. Außerdem hatte Dr. Seizinger Funktionen im Verband der Metallindustrie und beim Landesverband der Industrie inne und saß in ungezählten Forschungsbeiräten und Technologiekommissionen der Regierung. Gundelach fragte sich immer, woher Seizinger überhaupt die Zeit nahm, Millionen zu verdienen.
Erst gab es Bündner Fleisch, Schweizer Käseplatte und französischen Rotwein, dann das unvermeidliche sorgenvolle Gespräch über Politik.
Die Union, da war nichts dran zu deuteln, war in einer miserablen Verfassung: Strauß, die große Identifikationsfigur der Rechten, gestorben, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Vogel gerade von der eigenen Partei demontiert und zum Rücktritt gezwungen, das Zerwürfnis zwischen Kohl und Geißler durch einen abmahnenden Brief des Parteivorsitzenden offenkundig geworden. Und nun noch der Schock des Berliner Wahlergebnisses: Sage und schreibe neun Prozent hatte die regierende CDU bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus verloren. Die FDP hinauskatapultiert, die Macht verspielt. Statt dessen regierten SPD und Grüne mit satter Mandatsmehrheit, und die Republikaner lagen auf Anhieb bei 7,5 Prozent.
Eine Katastrophe, sagte Specht düster. Ich weiß wirklich nicht, wie’s weitergehen soll. Im Präsidium der CDU, berichtete er, seien vernünftige Gespräche kaum mehr möglich. Kohl verdächtige fast jeden, hinter seinem Rücken zu konspirieren. Und das Tischtuch zum Generalsekretär sei endgültig zerschnitten.
Wird Geißler es auf einen Machtkampf ankommen lassen? fragte Dr. Seizinger beunruhigt.
Das ist schwer zu sagen. Er wird ihn sicher zu vermeiden suchen. Aber Geißler ist ein Überzeugungstäter. Wenn er das Gefühl hat, daß Helmut Kohl die Partei zugrunde richtet, wird er keine Sekunde zögern und sich öffentlich gegen ihn stellen. Und er wird im Präsidium starken Rückhalt finden.
Gundelach merkte, was der Gastgeber fragen wollte: Und wie steht es mit Ihnen? Leider unterließ er es im letzten Moment und sagte nur vage: Die Unternehmer sind sehr verunsichert. Natürlich auch durch die Parteispendengeschichte. Es ist langsam unerträglich, wie die Justiz mit unseren Leuten umspringt.
Weiß Gott, sagte Specht. Es ist zum Verrücktwerden. Aber da rennen Sie gegen eine Wand. Die Staatsanwaltschaft macht, was sie will. Wie gerade jetzt wieder im Fall Mohr.
Der Fall Mohr … Im Dezember und Januar hatten Staatsanwälte umfangreiches Aktenmaterial in der Unternehmenszentrale und im Privathaus des Elektronikmanagers beschlagnahmt. Es ging um den Verdacht der Steuerhinterziehung und der Untreue. Anfangs hatte niemand die Aktion sonderlich ernst genommen. Eine Firmenintrige, ausgelöst durch eine anonyme Anzeige, nichts weiter. Die Sache würde im Sande verlaufen. Doch dann, vor zwei Wochen, der Donnerschlag: Haftbefehl des Landgerichts gegen Dr. Mohr! Erst gegen eine Kaution von über zwei Millionen Mark war die Verfügung aufgehoben worden.
Man muß sich das mal vorstellen, sagte Specht. Auf eine Denunziation hin setzt unser Staat einen Riesenapparat in Bewegung. Und keiner kann ihn daran hindern.
Das eben ist es, was unsere Leute schwer verstehen, sagte Dr. Seizinger bedächtig. Ein Ministerpräsident müßte doch die Möglichkeit haben –.
Hat er aber nicht. Was glauben Sie, wieviele Diskussionen ich mit meinem Justizminister darüber schon geführt habe. Wir sind ohnmächtiger wie jeder Staatsanwalt. Aber das können Sie niemandem
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