Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
im Sack haben würden. Eine Supersache werde das.
    Dankbar nahm Specht das Thema auf und schüttelte Minister und Regierungssprecher zum Abschied die Hand.
    Gundelach ließ sich ins Büro zurückfahren und erledigte Telefonate. Um halb zwei Uhr war er wieder im Hotel und patrouillierte vor dem Salon, in dem Specht und Eckert speisten. Gegen zwei öffnete sich die Tür, Specht wollte auf die Toilette.
    Abrupt wandte er sich an Gundelach und sagte, noch ehe dieser den Mund aufgemacht hatte: Eckert hat mich eindringlich davor gewarnt, gegen Kohl anzutreten. Man stürzt keinen CDU-Kanzler, sagt er. Die Wirtschaft hätte dafür überhaupt kein Verständnis. Alle Unternehmer, mit denen er gesprochen hat, denken so. Da ist was dran!
    Und schon hatte er die Tür mit dem Männchen hinter sich zugezogen.
    Jetzt, dachte Gundelach, hat er endlich sein Alibi. Entmutigt trottete er davon.
    Am folgenden Montag forderte Specht in der Präsidiumssitzung mehr Mitspracherechte, Rita Süßmuth lispelte, auch künftig unbequem bleiben zu wollen, und Blüm und Albrecht, so berichteten die Gazetten, hielten sich ganz zurück. Gefragt, ob es in Bremen einen Gegenkandidaten zum Parteivorsitzenden geben werde, antworteten alle mit Nein.
    Die Medien überzogen die präsidialen Papiertiger mit Hohn und Spott. Nicht ein einziges Zugeständnis hatte Helmut Kohl machen müssen.
    Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war, hatte Specht es eilig, jedem zu erklären, warum es dort lag, weshalb der Sturz unvermeidlich gewesen sei und daß es, genaugenommen, noch immer am Brunnenrand sitze und fröhlich pfeife. Nur interessierte das kaum noch jemanden.
    Die täglichen Spiegel-Anrufe blieben schlagartig aus. Als Gundelach, um Schadensbegrenzung bemüht, endlich ›seinen‹ Redakteur am Apparat hatte, sagte der: Sie tun mir echt leid. Specht hat uns alle in die Pfanne gehauen. Jetzt muß er sehen, wie er damit klar kommt. Bei uns ist der Ofen aus. Ich versteh das alles nicht. Er hatte so eine tolle Chance … In Bremen wird er die Quittung kriegen, da wett ich drauf.
    Und Specht erhielt die Quittung, mit all der grausamen Konsequenz, deren ein Politikkollektiv fähig ist. Helmut Kohl präsentierte sich den ›lieben Freunden‹ als ehrliche, wettergegerbte Haut. Heiner Geißler verfaßte einen so schönen Nachruf auf sich, daß seine sofortige Wiedererweckung als Präsidialer kein Wunder, sondern Parteitagspflicht war. Nur Oskar Specht stolperte zwischen den Schlingen, aus denen er sich nicht rechtzeitig hatte lösen können. Der Beifall für seine Rede war dünn, das Mienenspiel der Delegierten caesarisch-düster.
    Mit 47,5 Prozent der Stimmen ließ ihn der 37. Bundesparteitag durchfallen und katapultierte ihn aus seinem höchsten Gremium, dem Präsidium, hinaus.
    Wie üblich, sickerte das Wahlergebnis vor der offiziellen Bekanntgabe durch. Das aufgeregte Summen in den Reihen schwoll hornissenartig an. Kameramänner, Kabelträger und Mikrofonstrecker stürzten auf Specht zu.
    Specht saß allein an einer Flucht zusammengeschobener Tische. Keine zehn Meter entfernt, erhöht auf dem Podium, saß ein anderer und schaute geradeaus: Helmut Kohl. Specht hob den Blick nicht, Kohl senkte ihn nicht.
    Thron und Staub.
    Gundelach setzte sich neben Specht. Er wußte, daß er ab diesem 11. September an der Seite eines Verlierers leben würde und hoffte inbrünstig, daß Werner Wrangel schon zu geschwächt sein würde, um noch Zeitung lesen zu können.
    Unmittelbar nach dem Ende des Parteitags brachen sie zu einer Fernostreise nach Japan, Indonesien und Singapur auf.
    Brief an den Sohn
    Lieber Benny, Singapur, den 22. September 1989
    heute morgen beim Frühstück habe ich mir gesagt: Höchste Zeit, daß du Benny mal einen richtigen, ausführlichen Brief schreibst! Bisher waren’s ja immer bloß ein paar Zeilen mit Grüßen, wenn ich Mami geschrieben habe, oder eine Karte von unterwegs. Aber jetzt geht mein Sohn schon ins Gymnasium, und es dauert nicht mehr lange, bis er ein junger Mann geworden ist. Da hat er, dachte ich mir, einen Anspruch darauf, von seinem Vater einen Brief zu bekommen, der nur für ihn bestimmt ist (natürlich darfst Du ihn, wenn du willst, trotzdem Mami zeigen!).
    Und so habe ich ein bißchen geschwindelt und zu Specht gesagt, daß mir nicht gut wäre und daß ich mich wieder ins Bett legen will, und das hat er verstanden. In so einem Fall ist Schwindeln doch wohl erlaubt – es dient ja einem guten Zweck!
    Ich sitze hier in einem schönen

Weitere Kostenlose Bücher