Monrepos oder die Kaelte der Macht
Einlassenden, eine herbe Schlappe. Die Rechten in der Partei, Müller-Prellwitz voran, murrten vernehmlich und forderten, jetzt müsse endlich Schluß sein mit dem Geißler-Süßmuth-Blüm-Getändel, das den eigenen Anhang verwirre. Die CDU des Landes brauche wieder eine klare, konservative Linie.
Jeder wußte, daß die Kritik, auch wenn sein Name nicht genannt wurde, auf Specht zielte. Die Journalisten schrieben schadenfrohe Kommentare über den ›gestrauchelten Kronprinzen‹.
Gundelach warf, wie in solchen Fällen üblich, Vergleichszahlen auf den Markt, die den tiefen Fall relativieren sollten: daß die Landes-CDU, in absoluten Prozenten gerechnet, bundesweit immer noch an der Spitze und die Landes-SPD weiterhin unter dreißig Prozent liege und die Politik des Ministerpräsidenten schließlich und endlich nicht zur Abstimmung gestanden hätte …
Es war nicht mehr als ein Haufen weißer Salbe. Spechts Kanzlerlack hatte zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt Kratzer abbekommen.
Danach verlief sich alles in die Sommerferien, und Gundelach schrieb in Tag- und Nachtarbeit Spechts neues Werk ›Vision 2000‹ fertig. Über vierhundert Seiten füllte er und dachte sich, wie gewünscht, einen fiktiven politischen Fahrplan für die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa im Jahr 2000 aus. Zum Schluß machte es ihm sogar Spaß.
Als Helmut Kohl Mitte August aus seinem Urlaub am Wolfgangsee zurückkehrte und Heiner Geißler kurz und knapp eröffnete, daß er ihn auf dem Bundesparteitag in Bremen nicht mehr zum Generalsekretär vorschlagen werde, war es mit dem Spaß jäh vorbei. Der Fehdehandschuh lag im Ring, der Kampf war eröffnet. Die ›Verschwörer‹ des CDU-Präsidiums, die von der Entscheidung ihres Parteivorsitzenden genauso überrascht worden waren wie die Öffentlichkeit, mußten aus der Deckung heraustreten.
Zunächst ließ sich die Schlacht verheißungsvoll an. Aus den Landesverbänden hagelte es Proteste. Geißlers Werte auf der demoskopischen Beliebtheitsskala schossen nach oben. Specht blies die Backen auf und schimpfte öffentlich, daß man in der Partei so nicht miteinander umgehen könne. Rita Süßmuth monierte, Kohl mache das Präsidium überflüssig, Ernst Albrecht sah die Geschlossenheit der Parteispitze gefährdet, und Norbert Blüm kritisierte die Art und Weise, wie Geißler kaltgestellt worden war.
Nach hektischen Telefonaten verkündete Specht, er und seine Mitstreiter würden ihre Arbeit im Parteipräsidium einstellen, falls dessen Kompetenzen nicht klar geregelt würden. Damit wurde auch nach außen sichtbar, wer die Speerspitze der Frondeure übernommen hatte.
Bis zum Bundesparteitag in Bremen blieb noch etwas mehr als zwei Wochen Zeit, um die Strategie der Auseinandersetzung festzulegen und die Truppen zu mobilisieren. Gundelach war fest davon überzeugt, daß Specht nunmehr unverzüglich seine Gegenkandidatur um den Parteivorsitz ankündigen und eine Medienoffensive ohnegleichen vom Zaun brechen werde.
Die Pressestelle richtete sich darauf ein, rund um die Uhr Interviews zu terminieren. Spiegel, Stern und die großen, bundesweit erscheinenden Zeitungen sollten für ihre Titelgeschichten und Aufmacher Live-Interviews bekommen. Kleinere Zeitungen würden auf eingereichte Fragen vorgefertigte schriftliche Antworten erhalten. Die Grundsatzabteilung hielt griffige Positionsbestimmungen bereit, die Spechts Kompetenz auf allen wichtigen Politikfeldern untermauerten.
Das Kalkül war einfach: Je schärfer sein Profil als bessere personelle Alternative zu Helmut Kohl gezeichnet werden konnte, desto schwerer würde es dem Parteivorsitzenden fallen, den Konflikt auf das persönliche Zerwürfnis mit seinem Generalsekretär zu begrenzen.
Neue Programmatik statt altem Klüngel, hieß die Devise.
Die verbleibende Zeit war zwar kurz, aber sie mochte ausreichen, um den Personenstreit in eine Richtungsentscheidung umzuwerten. Wenn man es geschickt anfing, ließ sich aus dem engen zeitlichen Korsett sogar ein taktischer Vorteil ziehen: Spechts Parolen und Ankündigungen würden, wie in einem Wahlkampf, nicht verifizierbar sein. Sie mußten hingenommen werden und drängten den Amtsinhaber in die Defensive. Specht und Geißler als die Vertreter einer neuen, nach vorn orientierten CDU – das konnte vielen schwankenden, vom Trauma der Wahlniederlagen geängstigten Delegierten das Gefühl geben, sich für die Zukunft der Partei zu entscheiden, wenn sie Helmut Kohl die Gefolgschaft versagten.
Doch
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