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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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gefaßt, erteilen Sie den Auftrag, ein landesweites Veranstaltungsprogramm zu erstellen, auf der Basis eines Rohkonzepts, das wir Ihnen zur ersten Sitzung bereits vorlegen würden. Die Koordinierung übernimmt eine Geschäftsstelle, die zweckmäßigerweise wohl bei der Pressestelle anzusiedeln wäre. Dann kann die Arbeit beginnen –.
    Gundelach mußte eine Pause einlegen. Der Mund war ihm trocken geworden.
    Gut, sagte Breisinger. Weiter.
    Es fragt sich natürlich, womit wir die Verbände, die ja ganz unterschiedliche Interessen haben, locken können. Meiner Meinung nach müssen wir ihnen etwas anbieten, das über den eigentlichen Anlaß hinaus Bestand hat. Das bedarf gewiß noch sorgfältiger Überlegungen. Für die Heimat- und Brauchtumsverbände – um nur einmal ein Beispiel zu nennen – wäre es sicherlich von hohem Reiz, wenn die Landesregierung die jährliche Durchführung eines Heimattages in Aussicht stellen würde. Ich habe mich erkundigt, in Hessen gibt es so etwas seit langem. Aber man muß das jetzt noch gar nicht im einzelnen festlegen. Entscheidend ist, daß jeder Verbandsvertreter den Eindruck gewinnt, seine Organisation versäumt etwas, wenn sie beim Landesjubiläum nicht an vorderster Stelle mitmacht. Je mehr Leute darauf spekulieren, daß es auch nach dem Jubiläumsjahr offizielle Anlässe geben wird, bei denen sie sich profilieren können, um so größer ist der Kreis derer, die schon zuvor unsere Sache zu ihrer eigenen machen werden. So wird Eigennutz gemeinnützig – gewissermaßen.
    Jetzt war es mit der Beherrschung des Assessors denn doch vorbei. Heftiger Schluckreiz überfiel ihn. Die Hände wollten wieder einmal zittern. Er verbarg sie, konnte aber nicht mehr weiterreden. Wer zum Teufel war er, daß er sich so aufzuspielen wagte? In Bertschs Schläfen pulsierte das Blut. Draußen, noch auf dem Gang, würde er explodieren – falls Breisinger es nicht vor ihm tat. Breisinger schaute nämlich auch nicht mehr so gefällig drein wie auf dem Poster. Kraftvoll in die Zukunft! rief er dort und bleckte die Zähne. Hier saß er steif wie eine Statue, verschränkte die langen knochigen Finger und starrte sphinxhaft an Gundelach vorbei, etwa dorthin, wo Papst, Präsident und Persiens Schah würdevoll herübergrüßten. Was hast du bloß wieder angerichtet, dachte Gundelach. Esel, blöder.
    Das hört sich recht überzeugend an, sagte Breisinger endlich. Wo waren Sie vorher, Herr Gundelach ?
    Beim Landratsamt, flüsterte Gundelach. Wasserwirtschaftsabteilung.
    Sie haben sich dort, scheint mir, eine erstaunlich gute Menschenkenntnis angeeignet. Also, wir verfahren so, wie Sie es vorgeschlagen haben. Vor allem der Gedanke mit dem Heimattag gefällt mir sehr gut. Das ist etwas, was der Mentalität unserer Bürger entspricht. Klären Sie die Einzelheiten mit Herrn Bertsch und fertigen Sie dann eine Kabinettsvorlage, die wir in spätestens vier Wochen beraten können. Vergessen Sie nicht, das Finanzministerium zu beteiligen. Notfalls brauchen wir überplanmäßige Haushaltsmittel. – Im übrigen: ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit!
    Er stand auf und gab Gundelach die Hand. Benommen strebte der Assessor zur Tür. Bertsch wurde durch ein: Moment noch! zurückgehalten. Warten Sie draußen auf mich! hörte Gundelach seinen Abteilungsleiter rufen. Er nickte, gegen die bereits geschlossene Tür.
    Das Warten zog sich hin. Annerose Seyfried nahm von dem blassen, Brille tragenden Jüngling, der vor ihrem Schreibtisch von einem Fuß auf den anderen trat, nur kurz Notiz. Gibt’s was zom sehe? fragte sie, ohne von der Schreibmaschine aufzublicken.
    Nein.
    Sehetse.
    Endlich kam Bertsch. Wortlos ging er an seinem Mitarbeiter vorbei auf den Flur und schritt energisch den roten Teppich entlang, ohne sich umzudrehen. Gundelach folgte ihm wie ein begossener Pudel. Erst auf dem Treppenabsatz hielt Bertsch inne und sagte mit deutlicher Schärfe: Es wäre nett, wenn Sie mich künftig an Ihren gedanklichen Höhenflügen teilhaben lassen würden, bevor Sie den Ministerpräsidenten damit konfrontieren!
    Jawohl, sagte Gundelach und hielt den Kopf gesenkt.
    Informieren Sie Bauer und formulieren Sie mit ihm zusammen die Vorlage. Nächste Woche will ich sie auf dem Tisch haben.
    Bertsch wandte sich zum Gehen, in Richtung des Zimmers seines Duzfreundes Müller-Prellwitz.
    Daß ich’s nicht vergesse, rief er über die Schulter, der Ministerpräsident will, daß Sie die Geschäftsstelle der Kommission übernehmen. Wie Sie das

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