Monrepos oder die Kaelte der Macht
schluckte und beglückwünschte sich im stillen, daß er sich nicht auf Bauers fragmentarische Schilderungen verlassen, sondern selbst ein intensives Aktenstudium betrieben hatte. So war ihm die seitherige Korrespondenz mit Heimat- und Sportverbänden, mit Wirtschaftskreisen und kulturellen Zirkeln wohlbekannt. Freilich, da hatte Bauer schon recht: die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Hinter vielen Höflichkeitsfloskeln war eine verhaltene Skepsis spürbar, ein zögerliches Ja, aber –. Alle hatten sie ihre Gremien, die noch befragt und überzeugt werden mußten. Niemand war mit so vielen Befugnissen ausgestattet, wie Titel und Unterschrift vermuten ließen. Das Bemühen, sich nicht vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, ohne es, andererseits, mit der allmächtigen CDU zu verderben, führte die Feder … Bauers Duldsamkeit war groß, sein Drang, sich vorbeugend durch Aktenvermerke zu exkulpieren, auch. Seltsamerweise hatte Bertsch die wenig ermutigenden Sachstandsmeldungen meist kommentarlos abgezeichnet. Wahrscheinlich war ihm das geplante Spektakel im Innern suspekt; lag das biedere heimattümelnde Geschehen weit jenseits jener klassisch-strengen Pressepolitik, auf die sich sein nüchternes machtpolitisches Interesse konzentrierte … Neidvoll hatte Gundelach dagegen die Vorbereitungen zur großen Kaiserausstellung verfolgt, über die Pullendorf Regie führte. Hier besaß alles feste Konturen. Wie ein Schnellzug strebte das ehrgeizige Vorhaben seiner Vollendung entgegen. Es gab interministerielle Arbeitsgruppen, einen Beraterstab, dem Museumsdirektoren aus ganz Deutschland angehörten, exakte Zeitpläne und penible Sitzungsprotokolle. Eisern hielt er die Fäden in der Hand. Dr. Zwiesel, das mußte man ihm lassen, hatte mit seiner Charakterisierung nicht übertrieben. Doch was nützte das jetzt?
Läuft alles nach Plan? fragte Breisinger. Sollte Gundelach gleich die erste Bewährungsprobe mit dem Eingeständnis eröffnen, einen richtigen Plan gäbe es eigentlich gar nicht? Bertsch würde nicht zögern, ihn zurück zum Landratsamt zu beordern, dorthin, wo man Leute, die ehrlich waren und sonst nichts, vielleicht gebrauchen konnte.
Nein, er war auf bessere Weise präpariert. Eine komplizierte Mischung aus ziellosem Ehrgeiz und dem furchtsamem Bestreben, sich nicht noch einmal wie beim Einstellungsgespräch durch eine unklare Gefechtslage überraschen zu lassen, hatte ihn geheißen, im fahlen Schein der nächtlichen Barackenbeleuchtung nach Lösungen zu suchen. Breisingers aufmunterndes Posterlächeln auf einem Wahlplakat, das irgendein Vorgänger Gundelachs ins Zimmer gehängt hatte, schien es zu bestätigen: Nur zu! Und tatsächlich war ihm das eine oder andere eingefallen, das, wenn man ganz genau hinsah, wohl ein wenig Ähnlichkeit mit Pullendorfs administrativem Meisterstück hatte … aber eben doch nur ein wenig, so daß es, sagte er sich, noch als eigenständige Arbeit durchgehen konnte.
Und nun wurde er danach befragt! Von Breisinger höchstpersönlich, nicht von dessen auf gebräunte Sommerfrische koloriertem Konterfei! Gundelach holte Luft und antwortete mit fester Stimme.
Insgesamt, Herr Ministerpräsident, können wir zufrieden sein, sagte er. Die Resonanz ist durchweg positiv. Allerdings kommen wir jetzt in ein Stadium, wo es nötig sein wird, die einzelnen Aktivitäten zu bündeln, sie sozusagen unter einem gemeinsamen Dach zusammenzufassen. Ich nehme an, Herr Bauer, der die Dinge in unserer Abteilung federführend bearbeitet, wollte Sie ohnehin demnächst in diesem Sinne unterrichten. Ich weiß nicht, ob ich ihm – vorgreifen soll ?
Tun Sie’s, sagte Breisinger und blickte Bertsch an. Unbesorgt.
Ich denke, wir sollten für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eine ›Kommission Landesjubiläum‹ bilden, ähnlich derjenigen, die Herr Pullendorf zur Vorbereitung der Kaiserausstellung einberufen hat. Nur daß wir uns von vornherein aufs Land beschränken und den Schwerpunkt auf die Kommunen und Verbände legen. Sie selbst sind in der konstituierenden Sitzung zugegen und bitten alle Beteiligten um aktive Mitwirkung. Um den überparteilichen Charakter der Zusammenkunft zu unterstreichen – denn da scheint es hie und da gewisse Befürchtungen zu geben –, könnte es sich empfehlen, den Fraktionen von SPD und FDP die Entsendung eines Beobachters in die Arbeitsgruppe anzubieten. Doch ist das eine politische Frage, die ich nur mal zu bedenken geben möchte. Ist der Grundsatzbeschluß
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