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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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auf die Seite derer, die er wirklich brauchte. Müller-Prellwitz, Bertsch und Pullendorf behandelten den Eindringling fortan als quantité negligeable, das Haus schloß sich freudig an. Mehrfach machte das Wort die Runde, der Herr Staatssekretär habe Dritten gegenüber von ›Beamtenarschlöchern‹ gesprochen, mit denen er sich herumschlagen müsse. Schlechte Manieren hatte er demnach auch noch! Als in der Presse die ersten Meldungen auftauchten, die von einem zerrütteten Verhältnis zwischen der Staatskanzlei und ihrem Staatssekretär wissen wollten, fühlte sich niemand für ein Dementi zuständig. Der Betroffene selbst mußte erklären: alles Unsinn. Danach wurde es still um ihn. Auch in den Kabinettssitzungen, die er unregelmäßig besuchte, sagte er wenig bis nichts. Statt dessen begann er, ostentativ das Handelsblatt und die Financial Times zu lesen – wie jetzt wieder, als Gundelach schüchtern Dr. Zwiesel befragt, wer denn der stumm und verbissen Lesende, der wie auf einer Insel Gestrandete eigentlich sei. Dank Zwiesels Bereitschaft, nach längerem mokanten Lächeln doch noch zu antworten, wissen wir es endlich: er heißt Kahlein. Herbert Kahlein.
    Bertschs Stellvertreter hat es auch übernommen, den Assessor vorzustellen. Nicht allen Anwesenden, Gott bewahre. Die Minister und Staatssekretäre (Kahlein, wie gesagt, ausgenommen) kümmern sich um ihresgleichen und um den einen oder anderen Abteilungsleiter, den sie zu kurzer, intensiver Beratung auf die Seite ziehen. Müller-Prellwitz ist geradzu umlagert, Günter Bertsch ebenso. Aber Gundelach lernt auf diese Weise doch Pullendorf kennen, der ihm kernig die Hand drückt und anschließend nochmals nach seinem Namen fragt. Dazu den Protokollchef Schwarzenbeck und den Leiter der Bundesratsabteilung Dr. Reck. Der erkundigt sich immerhin, woher er komme und wie es ihm in seiner neuen Position gefalle. Sehr gut! strahlt Gundelach und denkt an seine erste Begegnung mit Breisinger. Selbstverständlich versäumt Zwiesel nicht, jedesmal darauf hinzuweisen, daß Gundelach nur ausnahmsweise der Kabinettssitzung beiwohne, um einen Eindruck von dem Geschehen zu gewinnen. Die Herren nehmen es befriedigt zur Kenntnis. Außer ihnen und ihren Stellvertretern, die aufgereiht im Hintergrund sitzen, hat niemand Zutrittsrecht zum Kabinett, es sei denn, er werde herbeizitiert, was meist nichts Gutes verheißt.
    Als der Ministerpräsident eintritt, verstummt das Geraune. Wie in einer Schulklasse flüchtet alles auf die Plätze. Sogar Kahlein nimmt von seiner Lektüre Abschied, wenn auch betont langsam und geräuschvoll. Dann lehnt er sich zurück, schlägt die Beine übereinander und wippt mit den Schuhspitzen. Wieder zwei unproduktive, mit Politikergeschwätz und Beamtenpalaver angefüllte Stunden, die es zu überstehen gilt.
    Breisinger scheint gut gelaunt, er berichtet von einem Gespräch der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler. Der Herr Schmidt schätzt diese Treffen bekanntlich überhaupt nicht. Aber seit die Union die Mehrheit hat im Bundesrat, muß er sich öfter dazu herablassen, als ihm lieb ist.
    Wahrscheinlich, denkt Gundelach, sitzt er dann auch so da wie Kahlein. Bloß raucht er noch und kann seine Geringschätzung mit jedem ausblasenden Atemzug demonstrieren.
    Die Konjunktur, erklärt Breisinger, zeigt schwache Erholungstendenzen. Aber kein Mensch ist derzeit in der Lage vorherzusagen, ob damit auch schon das tiefe Rezessionstal durchschritten ist. Auch der Weltökonom weiß es nicht. Die B-Länder, das sind die unionsregierten, haben ihm mächtig eingeheizt, die Stimmung war entsprechend. Die Konjunkturprogramme greifen nicht, die Investitionszulage ist ein Schlag ins Wasser – man hat es ja so kommen sehen. Von wegen Nachwirkungen der Ölkrise! Die wirklichen Gründe, warum die Pferde immer noch nicht saufen, sind hausgemacht, und niemand anderer als die Bundesregierung hat sie zu verantworten. Dieser ungezügelte soziale Reformeifer, die fatale Neigung, erst Wohltaten zu verteilen und dann zu rechnen: da liegt der Hund begraben! Dazu das törichte Gerede über investitionslenkende Maßnahmen, das neue Mitbestimmungsmodell, diese ganze wirtschaftsfeindliche Ideologie! Breisinger hat es dem Herrn Schmidt deutlich gesagt, Goppel übrigens auch. Der Schulterschluß mit Bayern war wieder mal vorbildlich. Statt den Unternehmen durch die Vermögenssteuerreform neue Lasten aufzubürden, hätte der Bund lieber der Initiative des Landes folgen und Verlustrücklagen

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