Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
von unter Druck stehenden Gasen vor einem Vulkanausbruch. Christian konnte die Wogen des Hasses spüren, die über den Tisch strömten. Indem er gegen den Antrag stimmte, machte Christian deutlich, dass er sich nicht einfach der Stimme enthielt, sondern sich gegen den Bürgermeister stellte. Und es damit sichtlich erschwerte, den Antrag durchzubringen.
»Ich auch. Ich bin auch dagegen.«
Josettes leise, aber klare Stimme schien die wachsende Spannung zu durchschneiden und die Ratsmitglieder aufzurütteln, die gebannt den Kampf verfolgten, der dort vor ihren Augen ausgetragen wurde.
»Auf mich kannst du auch nicht zählen. Die Sache ist mir zu anrüchig«, fügte Alain Rougé, der pensionierte Polizeibeamte, hinzu.
Fünf dafür, drei dagegen. Damit blieben nur noch Monique Sentenac, Philippe Galy – der Gerard Loubets hastig geräumten Platz eingenommen hatte – und René Piquemal übrig. Alle drei mussten gegen den Antrag stimmen, um ihn abzulehnen. Enthaltung würde nicht helfen.
Christian heftete seinen Blick auf Monique Sentenac, die sich mit ihrem Stift und zweifellos auch mit ihrem Gewissen beschäftigte. Véronique hatte Christian davon überzeugt, dass Monique – die vor zwanzig Jahren das Thema gnadenlosen Dorftratsches gewesen war, als ihr inzwischen verstorbener Mann sie in der leidenschaftlichen Umarmung eines Geistlichen erwischt hatte – wegen der Rücksichtslosigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme dagegen stimmen würde. Als Monique bedächtig den Stift auf den Tisch legte und dann langsam ihre Hand hob, musste Christian zugeben, dass Véronique eine gute Menschenkenntnis besaß.
Ein sehr blasser Pascal fügte der wachsenden Liste einen weiteren Namen hinzu und wandte sich der nächsten Person am Tisch zu. Philippe Galy.
Als neuestes Ratsmitglied hatte Philippe noch nie abgestimmt, und daher hatten Christian und seine Komplizen keine Anhaltspunkte, auf die sie sich stützen konnten. Er war vor einem Jahr in die Gegend zurückgekehrt, nachdem er den kleinen Bauernhof seines Großvaters geerbt hatte, und war allein aufgrund seines Familiennamens in den Conseil Municipal gewählt worden, als der frühere Besitzer der Auberge sich entschieden hatte, von seinem Amt zurückzutreten. Galy stellte in der Rechnung die Unbekannte dar.
»Philippe?«, fragte Pascal, dem dabei fast die Stimmeversagte, was Aufschluss über den Zustand seiner Nerven gewährte.
»Dagegen.«
Unmissverständlich. Bestimmt. Keinerlei Zögern.
Christian spürte, wie sich sein Körper entspannte, seine Schultern herabsanken. Sie hatten es geschafft. Josette tätschelte unter dem Tisch sein Bein.
»Und … äh … René?«
René räusperte sich.
»Ich bin mir nicht sicher.«
Und mir nichts, dir nichts kehrte die Spannung wieder in den Raum zurück. René, der normalerweise ein sicherer Kandidat war, wenn es darum ging, gegen Pascal und seine Fraktion zu stimmen, war unentschlossen. Die Abstimmung hing nun am seidenen Faden.
»Nicht sicher?«, erkundigte sich der Bürgermeister, der sich eifrig auf diese unerwartete Gelegenheit stürzte, mit einer honigsüßen, schmeichelnden Stimme, die nichts mehr von der Giftigkeit ahnen ließ, unter der Christian noch wenige Momente zuvor gelitten hatte.
»Wie kann man da nicht sicher sein? Der Erwerb der Auberge wird der Gemeinde zugutekommen. Schließlich«, fügte er hinzu, und sein ausgeprägtes politisches Geschick kam zum Vorschein, »wollen wir doch nicht, dass noch mehr Auswärtige herziehen. Es ist schon schlimm genug mit den Zweitwohnsitzbesitzern, ganz zu schweigen davon, dass Ausländer unsere Geschäfte übernehmen.«
René nickte bejahend, augenscheinlich nicht ahnend, dass man sich seiner wohlbekannten Abneigung gegen die Zweitwohnsitzbesitzer bediente, um eigene Ziele durchzusetzen.
»Ja, da stimme ich zu.«
»Du stimmst zu?«, blaffte Pascal sogleich. »Du befürwortest also den Antrag?«
Aber ebenso, wie der ungeduldige Angler zu früh an der Leine ruckt, hatte Pascals Bestreben, die Stimme zu gewinnen, seine Beute auf seine Gegenwart aufmerksam gemacht.
»Nein. Ich befürworte den Antrag nicht«, erwiderte René mit Bedacht, was den Beginn eines nervösen Zuckens unter Pascals linkem Auge auslöste. Und das mit gutem Grund, da der Bürgermeister, der vollendete Menschenfischer, kurz davor zu stehen schien, ihn wegen seiner Unbeherrschtheit zu erwürgen.
»Ich stimme aber zu, dass wir unsere Geschäfte für die Einheimischen schützen sollten. Meiner Ansicht
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