Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Stiefeln und stellte sie neben die Hintertür. Anschließend machte sie ein Feuer im Ofen für ihre Rückkehr.
Als sie schließlich fertig war mit allem, setzte sich Annie zum Schreiben ihrer Einkaufsliste an den großen Holztisch, der die Küche dominierte und auf dem Generationen der Familie Estaque ihre Spuren in Form von Schrammen und Furchen hinterlassen hatten. Sie brauchte nicht viel. Lediglich ein paar Dinge für Chloé, die vier Nächte bei ihr bleiben würde, worauf sich Annie sehr freute.
Als die Liste fertig war, sah sie auf die Uhr. Es war noch zu früh, um sich auf den Weg zu machen. Die Prüfung in der Auberge begann erst um zehn. Wenn sie es zeitlich richtig abstimmte, könnte sie in der Épicerie sein, während sie stattfand, und auf dem Rückweg bei der Auberge vorbeischauen, wenn sie gerade endete. Und dann wollte sie über ihren nächsten Schritt entscheiden.
Sie blieb sitzen und sah zu, wie die Minuten auf der alten Standuhr in der Ecke vergingen. Ihre Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als alles anders gewesen war, bevor sie mit Véronique schwanger wurde. Sie ballte die Hände automatisch trotzig zu Fäusten.
Die Gemeinde hatte ihr wegen eines einzigen Fehlers das Leben vermiest. Sie wollte verdammt sein, wenn sie einfach so danebenstehen und zusehen würde, wie sie anderen Menschen das Gleiche antaten.
Unten im Tal war La Rivière noch in Nebel gehüllt, die Sonne ein unsicheres Versprechen hinter einem dichten Dunstschleier. Es war alles von Frost überzogen, jeder Zweig von dicken weißen Kristallen umgeben, die Fenster mit Eisblumen verziert und der Fluss aufgrund der wabernden, feuchten Wolken, die von seiner Oberfläche aufstiegen, nur noch undeutlich zu erkennen.
Paul schaltete die Kaffeemaschine ein, versetzte ihr sicherheitshalber einen Schlag auf die Seite und öffnete die Eingangstür. Über die Straße hinweg konnte er Stephanies alten blauen Transporter erkennen, der vorsichtig von Picarets heruntergefahren kam. Als er auf die Hauptstraße einbog, geriet das Heck leicht ins schleudern.
Glatteis. Damit könnte sich die Ankunft ihrer Besucher ein wenig verzögern, dachte er.
»Eine Tasse Tee?«
Lorna hatte sich von hinten an ihn herangeschlichen, schlang ihre Arme um seine Brust und schmiegte ihren Kopf zwischen seine Schulterblätter. Er drehte sich in ihrer Umarmung und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.
»Gern. Hast du gut geschlafen?«
Sie warf ihm einen schiefen Blick zu. Die dunklen Schatten unter ihren Augen sprachen Bände.
»Ich auch nicht. Ich bin froh, wenn diese Prüfung vorbei ist.«
»Ich auch«, stimmte ihm Lorna zu und drückte ihn ganz fest. »Dann können wir einfach damit weitermachen, die Auberge auf Vordermann zu bringen.«
Wie sich herausstellte, war lediglich der Bürgermeister von den schwierigen Straßenverhältnissen betroffen. Zumindest war dies der einzige Grund, der Paul für dessen Unpünktlichkeit einfiel.
Gegen halb elf begannen Pauls und Lornas Kräfte langsam nachzulassen. Schon eine halbe Stunde lang hatten sie sich redlich bemüht, die Gruppe der Prüfungskommission zu unterhalten, die sich zusammensetzte aus Major Gaillard von der Feuerwehr, Monsieur Chevalier vom Veterinäramt, Monsieur Peloffi von diesem geheimnisvollen DDE und zwei Polizisten, deren Namen Paul überhört hatte, da er zu beschäftigt damit gewesen war, ihre Pistolen anzustarren. Immerhin war es ihm gelungen, die Zeit dafür zu nutzen, abzuklären, warum sich unter den Beteiligten ein Tierarzt befand, denn diese Frage hatte ihm das ganze Wochenende über Kopfzerbrechen bereitet. Monsieur Chevalier hatte ihm mit Freuden erklärt, dass sein Aufgabengebiet natürlich nicht nur das Wohl der Tiere umfasste, sondern auch die Lebensmittelhygiene. Paul versuchte immer noch, sich einen Reim auf diese Erklärung zu machen, als die Tür aufging.
»Guten Morgen! Guten Morgen!« Endlich war der Bürgermeister eingetroffen. Ohne ein Wort der Entschuldigung für seine Verspätung fegte er in die Auberge hinein und ging mit ausgestreckten Armen auf Lorna zu, um sie zu begrüßen. Seine Anwesenheit elektrisierte den Raum, und wo zuvor leise Unterhaltungen zwischen den versammelten Männern über ihre Espressos hinweg stattgefunden hatten, erhoben sich nun raue Stimmen, als sie alle darum wetteiferten, den Bürgermeister willkommen zu heißen.
Sobald Lorna aus seiner Umarmung entlassen war und der penetrante Duft seines Rasierwassers sich langsam aus ihrer Nase
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