Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
fest und schleppte sich mehr oder weniger unbeschadet auf den Parkplatz.
»Trottel!« Serge ließ die Gardine ein wenig enttäuscht fallen. Pascal auf den Hintern plumpsen zu sehen wäre der geniale Beginn eines bedeutsamen Tages in der Geschichte von Fogas gewesen.
Als er ein gedämpftes Husten aus dem Zimmer oben vernahm, trat Serge vom Fenster weg und ging in die Küche, um eine Tasse Kräutertee aufzugießen. Er verzog bei dem Geruch das Gesicht, stellte die Tasse auf ein Tablett neben einen Teller mit Croissants und versuchte darüber hinwegzusehen, dass die Backwaren unförmig und pappig waren.
Warum bloß hatte Fogas keine Bäckerei, fragte er sich mit einem verärgerten Grunzen. Die florierende Boulangerie seiner Jugend, die sich neben der Épicerie in La Rivière befunden hatte, war zusammen mit der Tankstelle und dem Metzger in den frühen sechziger Jahren geschlossen worden. Und nun war die Gemeinde auf das Brot angewiesen, das die Bäckerei oben Richtung Col de Port mittags an die Épicerie lieferte. Es gab also keine frischen Croissants zum Frühstück. Keine Chausson aux Pommes. Stattdessen mussten sie sich mit dem Supermarkt begnügen und mit dem massenproduzierten Mist, der kaum dazu taugte, die Schweine zu füttern.
Unter Aufbietung großer Willensstärke gelang es Serge, seine Verärgerung zu unterdrücken. Er fügte dem Tablett eine kleine Vase mit Gartenstiefmütterchen hinzu, nahm das Ganze hoch und trug es vorsichtig die Treppe zum Schlafzimmer hinauf, denn seine verkrümmten Hände waren nicht mehr so verlässlich wie früher. Er durchquerte das Zimmer, wobei er versuchte, die schlimmsten knarrendenHolzdielen zu meiden, und stellte das Tablett auf dem kleinen Tisch neben dem Bett ab.
Als er auf den wirren Bettzeughaufen herabblickte, vermochte er kaum das Gesicht seiner Frau zu erkennen, das verhärmt und grau in dem Strahl Sonnenlicht lag, der durch die halbgeöffneten Läden schien. Darauf bedacht, sie nicht zu wecken, streckte Serge vorsichtig die Hand aus und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sie hatte wieder einmal eine schlechte Nacht gehabt. Dies schien immer häufiger der Fall zu sein, beinahe so, als ob die Diagnose Anfang des Monats die ganze Gewalt der Krankheit entfesselt hatte.
Serge wandte sich vom Bett und von den Gedanken ab, die ihn zu ersticken drohten. Sie würden das schon irgendwie schaffen. Das taten sie doch immer. Und jetzt hatte er erst mal einiges zu tun.
In Picarets herrschte ein ebenso strenger Frost. Stephanie stand am Küchenfenster und blickte in den großen Garten hinter dem Haus hinaus, von dem sie insgeheim hoffte, dass es sich um den Beginn eines Bio-Gartencenters handelte. Der Folientunnel war mit weißen Linien überzogen, die einer Vielzahl feiner Risse ähnelten, und der Dünger auf dem Rhabarber war nun ein fester Eisklumpen. Sie umklammerte den dampfenden Kaffeebecher mit ihren Händen und fragte sich, ob das raue Wetter wohl einige der weniger robusten Pflanzen verschonen würde, die sie heranzog.
Zwei weitere Jahre noch, und sie wäre hoffentlich imstande, das Center zu eröffnen. Bis dahin brauchte sie den Job in der Auberge , um sich über Wasser zu halten, und daher konnte die heutige Prüfung großen Einfluss auf ihre Pläne haben. Ärgerlicherweise würde sie nicht hier sein, um zu hören, wie es gelaufen war.
Am Samstag hatte sie ein verzweifelter Telefonanruf des Yogazentrums in Toulouse erreicht, für das sie gelegentlich arbeitete, und nun sprang sie für eine der Kursleiterinnen ein, die an der Grippe erkrankt war, und unterrichtete ab heute einen fünftägigen Kurs. Anfangs hatte sie mit sich gerungen, ob sie das Angebot wirklich annehmen sollte, aber sie brauchte dringend das Geld. Und wenn die Dinge heute in der Auberge schlecht liefen, würde sie vielleicht in Zukunft froh sein, wenn ihr das Yogazentrum Arbeit anbot.
Stephanie sah, wie ein Rotkehlchen auf dem Vogeltisch im Garten landete und leicht über die vereiste Oberfläche rutschte. Es pickte vergeblich an dem gefrorenen Vogelfutter und den steinharten Brotklumpen, und sie spürte seine Frustration.
Genauso fühlte sie sich, wenn sie an das Kuddelmuddel in der Auberge dachte: frustriert. Und immer noch verwirrt hinsichtlich Christians Rolle bei dem Ganzen. Er war über das Wochenende weg gewesen, hatte seine Mutter zu ihrer Schwester in Perpignan gebracht, weshalb Stephanie keine Gelegenheit gehabt hatte, mit ihm zu reden.
Vielleicht zerbrach sie sich
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