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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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ein Maßband aus ihrer Aktentasche, drückte Paul ein Ende davon in die Hand und durchquerte mit dem anderen Ende den Speiseraum.
    »Wie viele Gedecke?«, fragte sie, während sie ihr Band zu Rate zog und wie wild etwas auf ihr Klemmbrett kritzelte.
    »Pardon?«, erwiderte Lorna, die Schwierigkeiten hatte, ihrem schnellen Französisch zu folgen.
    »Wie viele Gedecke? Im Restaurant?«
    »Oh, hmm, vierzig hier. Und vierzig auf Terrasse.« Lorna deutete auf den abgedeckten Bereich draußen, wo Tische und Stühle auf einer Seite gestapelt standen, sich verwelkte Blätter unter den Beinen sammelten und da und dort Wasserpfützen zu sehen waren. Madame Dubois ließ ihren Blick über das Areal wandern und zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. Ganz offenbar war sie nicht fähig, sein Potenzial zu erkennen.
    »Es ist Winter«, fühlte sich Paul bemüßigt zu erklären. »Wir sind geschlossen.«
    »VIERZIG Gedecke«, wiederholte sie und spitzte die Lippen, als sie es notierte. »Und welche Qualifikationen und Berufserfahrungen haben Sie?«
    Lorna und Paul schauten einander an. Sie waren sich nicht sicher, ob sie sie richtig verstanden hatten.
    »Qualifikationen?«, wiederholte Madame Dubois mit einem vernehmlichen Seufzer. »Wer von Ihnen ist der Küchenchef? Und was für Diplome haben Sie? Haben Sie die Hotelfachschule besucht? Wo und mit welchem Abschluss?«
    »Nun … ich bin der Küchenchef, aber … nein … wir haben nichts«, stotterte Lorna, deren Handflächen unter dem grimmigen Blick der Inspektorin zu schwitzen begannen. »Keine Qualifikationen.«
    »KEINE Qualifikationen?« Madame Dubois’ hauchdünne Augenbrauen schossen zugleich mit ihrer Stimme in die Höhe. »Sie haben ein Hotel und ein Restaurant gekauft und keinerlei Erfahrung? Keine Ausbildung?«
    »Nun … ich war Köchin in Schulküche … in England … aber –«
    Madame Dubois gab Lorna gar nicht erst die Gelegenheit, den Satz zu Ende zu sprechen, sondern brachte sie mit einem verächtlichen Blick zum Verstummen.
    »Und Sie?«, blaffte sie Paul mit gezücktem Stift an.
    »Ich bin Elektroingenieur.«
    Der Stift verharrte mitten in der Luft, und ein ungläubiger Ausdruck erschien auf Madame Dubois’ Gesicht.
    »Das verstehe ich nicht«, brummte sie, während sie die Seiten auf ihrem Klemmbrett durchblätterte. »Ich kann das hier nirgends eintragen. Dafür gibt es gar kein Kästchen!«
    Lorna zuckte entschuldigend die Schultern. Der offene Spott der Frau machte sie verlegen. Madame Dubois schien ihren wunderbaren Traum vom eigenen Betrieb, in demsie ihre eigenen Chefs waren, lächerlich zu finden. Und als sie nun in dem Speiseraum standen und von dieser Vertreterin der französischen Bürokratie gegrillt wurden, beschlich Lorna der leise Verdacht, dass die Frau recht haben könnte.
    Vielleicht war es idiotisch von ihnen gewesen, ihre festen Arbeitsplätze aufzugeben und mit ihren notdürftigen Französischkenntnissen und ohne jede vorherige Berufserfahrung in der Branche nach Frankreich zu kommen, um ein Hotel und ein Restaurant zu leiten. Paul machte den Eindruck, als stelle auch er ihre Entscheidung in Frage. In diesem Augenblick wünschten sie sich wohl beide, dass sie niemals einen Fuß in die Gemeinde Fogas gesetzt hätten!
    » Bonjour! Entschuldigen Sie die Verspätung!«
    Stephanie kam in einem Farbwirbel zur Hintertür hereingefegt, ließ sie hinter sich zuknallen, schmiss ihre Taschen auf den nächststehenden Tisch und warf ihre Jacke über eine Stuhllehne.
    »Ich bin Stephanie Morvan. Freut mich, Sie kennenzulernen«, erklärte sie, ging mit großen Schritten auf Madame Dubois zu und schüttelte deren Hand so heftig, dass sich der Inspektorin noch weitere Haarsträhnen aus der Spange lösten. Während die sich alle Mühe gab, die widerspenstigen Strähnen hinter die Ohren zu klemmen, wandte sich Stephanie Lorna zu, um sie zur Begrüßung zu küssen.
    »Wie braun sie ist. Von die Kopf bis zu die Fuß. Sie ’at eine braune Aura!«, flüsterte sie auf Englisch.
    Lorna musste ein Prusten unterdrücken, als sich Stephanie rasch wieder der Inspektorin zuwandte.
    »Und wie kommen wir voran?«, erkundigte sie sich mit einem Lächeln. »Läuft es gut?«
    Madame Dubois deutete mit einem Schniefen auf ihr Klemmbrett.
    »Das ist alles höchst unvorschriftsmäßig!«, sagte sie und tippte mit ihrem Stift auf das Brett.
    »Was denn bitte?«
    »Sie haben nicht die nötigen Qualifikationen.«
    »Pah!« Stephanie wedelte elegant mit der Hand in der Luft

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